URI: 
       # taz.de -- 4. Tag des Cumhuriyet-Prozesses: Journalismus vor Gericht
       
       > 17 Mitarbeiter der ältesten Zeitung der Türkei sind wegen Terrorhilfe
       > angeklagt. Die drei Ältesten sind fast so alt wie die Republik. Am
       > Donnerstag verlesen sie ihre Verteidigung.
       
   IMG Bild: „Die Cumhuriyet steht für Demokratie.“ (Orhan Erinç bei seiner Verteidigung in Istanbul)
       
       Am Donnerstag fand der vierte Verhandlungstag im Prozess gegen die
       Mitarbeiter der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet (deutsch: Republik)
       statt. Ihnen wird „Unterstützung terroristischer Organisationen“ vor
       geworfen. Angeklagt sind Geschäftsführung, Autoren, Redakteure und Anwälte
       der Zeitung, insgesamt 17 Personen.
       
       Seit Montag verlesen die Angeklagten ihre Verteidigungsschriften im
       Istanbuler Justizpalast, der sich im Stadteil Çağlayan befindet, darunter
       der ehemalige Chefredakteur Murat Sabuncu und der renomierte
       Investigativjournalist Ahmet Şık.
       
       ## Keine Gefängnisaufenthalt aufgrund des Alters
       
       Am Donnerstag standen die beiden langjährigen Autoren Hikmet Çetinkaya und
       Aydın Engin sowie der Vorsitzende der Verlagsstiftung Orhan Erinç vor
       Gericht, die anders als die üblichen Angeklagten aufgrund ihres hohen
       Alters die Zeit bis zu Prozess nicht im Gefängnis verbringen müssen. Es
       wird erwartet, dass am Freitag ein Urteil gefällt wird in dem Verfahren,
       das in der türkischen Öffentlichkeit als der Prozess bekannt wurde, bei dem
       „der Journalismus vor Gericht steht“
       
       Hikmet Çetinkaya wies gleich zu Beginn seiner Verteidigungsrede darauf hin,
       dass er seit 1966, also 51 Jahren, für die Cumhuriyet arbeitet. „Eine
       meiner ersten Nachrichtentexte handelte von Fethullah Gülen. Wir gehören
       nicht zu jenen Journalisten, die Lobreden auf diesen Mann schrieben, wir
       haben seine wahren Absichten aufgedeckt und dabei journalistisch
       gearbeitet“, so Çetinkaya.
       
       Nach Çetinkaya trat der ebenfalls langjährige Autor Aydın Engin vor den
       Richter. Engin, der seine Verteidigung nur sehr kurz hielt, sagte: „Ich
       halte es für sinnlos, mich bezüglich meiner neun Artikel zu erklären, die
       in der Anklageschrift wie Beweismaterialien angeführt werden. Die Tatsache,
       dass meine Kollegen und ich in solch einem Fall auf die Anklagebank gezerrt
       werden, beschämt und schmerzt mich im Namen der Justiz und meines Landes.“
       
       ## Mahnwache für Gerechtigkeit
       
       Der 80-jährige Stiftungsvorsitzende Orhan Erinç hingegen nahm Stellung zu
       den Vorwürfen, die Redaktionslinie der Cumhuriyet hätte sich zugunsten
       terroristischer Organisationen verändert. Erinç betonte, dass die
       Berichterstattung der Zeitung sich mit den tagesaktuellen Ereignissen in
       der Türkei verändere. Das sei jedoch nichts, das vor einem Strafgericht
       diskutiert werden sollte
       
       „Weder hat sich die Redaktionslinie verändert noch wurden die Kemalisten
       aus der Zeitung gedrängt. Die Redaktionslinie der Cumhuriyet ist für alle
       offensichtlich: Sie steht für Demokratie und universelle Menschenrechte und
       setzt sich für diese ein. Unsere Zeitung unterscheidet dabei nicht nach
       Religion, Geschlecht oder ethnischer Herkunft und spielt diese Gruppen
       sicherlich nicht gegeneinander aus oder erklärt diese zu Zielscheiben“, so
       Erinç
       
       Vor dem Gerichtsgebäude stehen seit Prozessbeginn täglich Hunderte
       Menschen, um ihre Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden, darunter
       deren Angehörige und FreundInnen sowie viele Cumhuriyet-Leser*innen, die
       diverse Aktionen wie eine„Mahnwache für die Gerechtigkeit“ organisieren.
       Das „Koordinationskomitee für den Cumhuriyet-Fall“ fordert, das Verfahren
       gegen die Zeitungsmitarbeiter umgehend einzustellen.
       
       27 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Canan Coşkun
   DIR Ali Celikkan
       
       ## TAGS
       
   DIR taz.gazete
   DIR Journalismus
   DIR Justiz
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Pressefreiheit in der Türkei
   DIR Cumhuriyet
   DIR EU-Politik
   DIR Pressefreiheit in der Türkei
   DIR taz.gazete
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Journalistin Tolu in türkischem Gefängnis: „Das ist eine Geiselnahme“
       
       Die deutsch-türkische Journalistin Meşale Tolu sitzt in Istanbul im
       Gefängnis. Erst fünf Monate nach der Verhaftung wird ihr der Prozess
       gemacht.
       
   DIR Debatte Türkei und Justiz: Ein Fall für Interpol
       
       Deutsche Strafverfolgungsbehörden müssen endlich gegen jene ermitteln, die
       in der Türkei Menschen als Geiseln festhalten.
       
   DIR Prozess gegen Cumhuriyet: „Beendet diese Comedy“
       
       In der zweiten Anhörung im Prozess gegen die angeklagten Mitarbeiter der
       Cumhuriyet entschieden die Richter, niemanden freizulassen.
       
   DIR RoG-Vertreter zu türkischen Ermittlungen: „Exil ist für mich keine Option“
       
       Erol Önderoğlu ist der türkische Vertreter von Reporter ohne Grenzen. Nun
       wird er selbst der „Propaganda für eine Terrororganisation“ beschuldigt.
       
   DIR Prozess gegen „Cumhuriyet“-Mitarbeiter: Verhandlung hinter Gittern
       
       Am Montag wird in der Türkei der Prozess gegen die Mitarbeiter der
       Tageszeitung „Cumhuriyet“ fortgesetzt. Diesmal im Gefängnis.
       
   DIR Kommentar EU-Beitritt der Türkei: Ein Wahlgeschenk für Erdoğan
       
       Schulz' Idee, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, ist
       billiger Populismus. Und: Sie spielt den Falschen in die Hände.
       
   DIR Cumhuriyet-Prozess in Istanbul: Freilassung, aber keine Freiheit
       
       Ein Teil der Angeklagten wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Der
       Prozess wird erst Mitte September fortgesetzt.