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       # taz.de -- Streit um Rechtsextremismus-Studie: Rechts von Westdeutschland
       
       > Iris Gleicke (SPD) distanziert sich von einer Studie, die sie selbst in
       > Auftrag gab. Ostdeutsche sind danach besonders anfällig für
       > rechtsextremes Gedankengut.
       
   IMG Bild: Die Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Iris Gleicke (SPD)
       
       Göttingen/Berlin epd | Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke
       (SPD), streitet mit Göttinger Forschern über eine von ihrem eigenen Haus in
       Auftrag gegebene Studie über Rechtsextremismus im Osten Deutschlands. Eine
       Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bestätigte am Donnerstag in Berlin,
       dass sich Gleicke in einem Brief an das Institut für Demokratieforschung
       der Göttinger Universität „in aller Form“ von der Studie „Rechtsextremismus
       und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland“ distanziert. Die Stelle der
       Ostbeauftragten ist im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Die Forscher
       wiesen die Kritik in scharfer Form zurück.
       
       In dem Brief, über den zuerst die in Dresden erscheinende Sächsische
       Zeitung berichtet hatte, schreibt Gleicke, wegen der Fehler und
       Schlampereien habe die Studie „jeden Wert für die dringend notwendige
       gesellschaftspolitische Debatte über die Ursachen des Rechtsextremismus in
       Ostdeutschland verloren“. Das Wirtschaftsministerium prüft nun, ob es die
       Kosten für die Studie zurückfordern kann. Sie belaufen sich den Angaben
       zufolge auf rund 129.400 Euro.
       
       Die Untersuchung war Mitte Mai veröffentlicht worden. Wissenschaftler des
       Göttinger Instituts hatten von Mai bis Dezember 2016 unter anderem über
       Einzelinterviews die sächsischen Städte Freital und Heidenau sowie den
       Erfurter Stadtteil Herrenberg untersucht. Als zentrales Ergebnis
       konstatierten sie eine besondere Anfälligkeit Ostdeutscher für
       rechtsextremistisches Gedankengut. Nach der Veröffentlichung der Studie war
       Kritik an ihrer Methodik und an zweifelhaften Nachweisen laut geworden.
       
       Gleicke hatte die Autoren zunächst verteidigt. Anlass ihrer Distanzierung
       sei nun ein weiterer, neu entdeckter Fehler, erklärte das Ministerium. In
       ihrem Brief schreibt Gleicke, in einem Interview seien „ganz offensichtlich
       nicht belegbare bloße Aussagen eines anonymen Akteurs als Tatsachen
       dargestellt worden“.
       
       ## Wissenschaftler nach Veröffentlichung im Stich gelassen
       
       Daraufhin hätten die Autoren den Namen des Betroffenen aus einer
       aktualisierten Fassung der Studie gestrichen und dies ohne Erläuterung,
       warum die Änderung erfolgt sei. Dieser Mangel an Sorgfalt sei „mit den
       Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens nicht zu vereinbaren und zum
       anderen ein klarer Beleg für eine schlicht nicht hinnehmbare Schlamperei“,
       so Gleicke.
       
       Dieser Kritik widerspricht das Institut entschieden. Das Ministerium sei
       über die Anonymisierung der Quelle stets informiert gewesen. Man habe sich
       darauf sogar geeinigt, da es sich um eine bekannte Person handele. Der
       Vorwurf methodischer Fehler wegen der Anonymisierung von Gesprächspartnern
       sei ohnehin „unsinnig“.
       
       Dies sei in den Sozialwissenschaften üblich und habe gute Gründe. Von der
       Distanzierung hätten sie erst aus den Medien erfahren, erklären die
       Forscher. Im Institut sei ein solches Schreiben nicht angekommen. Datiert
       ist Gleickes Brief vom 26. Juli.
       
       Schließlich wirft das Göttinger Institut der Ostbeauftragten der
       Bundesregierung vor, die Wissenschaftler nach der Veröffentlichung der
       Studie im Stich zu lassen. Dies gelte besonders in Hinsicht auf die Anwürfe
       aus der rechten Szene, aus der „bekanntermaßen hart gekeilt werde“, wie es
       auch jetzt geschehe: „Dass das Ministerium sich dabei überstürzt davonmacht
       – ohne mit uns zuvor auch nur ein Wort geredet zu haben – ist bedrückend.“
       
       28 Jul 2017
       
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