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       # taz.de -- Plädoyers im NSU-Prozess in München: Helfer „voller Stolz“
       
       > Die Bundesanwaltschaft widmet sich den Mitangeklagten Carsten S. und Ralf
       > Wohlleben. Es sei erwiesen, dass sie die Mordwaffe lieferten.
       
   IMG Bild: Sollen die Pistole besorgt haben: Ralf Wohlleben (links) und Carsten S. (rechts, im grauen Kapuzenpullover)
       
       München taz | Jochen Weingarten lässt keinen Zweifel. „In vollem Umfang“
       habe sich der Anklagevorwurf gegen Carsten S. und Ralf Wohlleben bestätigt.
       Der lautet: Beihilfe zu neunfachem Mord. Es sei erwiesen, dass beide dem
       NSU-Trio die Pistole lieferten, mit der die Rechtsterroristen später neun
       Migranten erschossen: die Ceska Zbrojovka 83. Und beide, so Weingarten,
       hätten dies im Wissen getan, dass das Trio die Waffe für ihren
       rassistischen, „abgrundtiefen“ Hass nutzen würde. Zum Morden.
       
       Der Montag markiert Tag 4 des Plädoyers der Bundesanwaltschaft im
       NSU-Prozess. Und nach der Hauptangeklagten Beate Zschäpe knöpfen sich die
       Ankläger mit Ralf Wohlleben und Carsten S. nun zwei der vier Mitangeklagten
       vor. Wohlleben soll die Ceska besorgt, S. diese dem untergetauchten Trio
       überbracht haben. Beide hätten im Prozess in einem gewissen „Schattenwurf“
       Zschäpes gestanden, gesteht Weingarten. Davon habe sich seine
       Bundesanwaltschaft aber nicht beeinträchtigen lassen.
       
       Und beide Angeklagten hätten sich in der Verhandlung nicht
       unterschiedlicher geben können. Carsten S., 2000 aus der Szene ausgestiegen
       und zuletzt bei der Düsseldorfer Aids-Hilfe angestellt, lieferte gleich zu
       Beginn ein Geständnis, teils unter Tränen. Wohlleben, ein früherer
       NPD-Mann, dagegen machte klar, dass er weiter zur Szene hält – und schwieg
       lange. Dann schob er alles auf Carsten S.: Nicht er, sondern der
       Mitbeschuldigte sei der wahre Waffenbeschaffer. Er habe damit nichts zu
       tun.
       
       Die Bundesanwaltschaft verwirft Wohllebens Version nun in Bausch und Bogen.
       Der vierjährige Prozess habe klar ergeben, dass es Wohlleben war, der
       Carsten S. in einen Jenaer Szeneladen schickte, um die Ceska zu besorgen
       und die nötigen 2.500 DM dafür bezahlte, sagt Weingarten. Zuvor habe das
       abgetauchte Trio in einem Telefonat mit S. eine Pistole samt Schalldämpfer
       eingefordert. Nach Erwerb der Ceska habe S. die Waffe schließlich im
       Frühjahr 2000 den Dreien in einem Chemnitzer Abbruchhaus übergeben.
       
       „Ganz selbstverständlich“, teils „voller Stolz“, hätten die beiden
       Angeklagten dem Terrortrio geholfen, führt Weingarten aus. Weil sie sich
       ihren abgetauchten Bekannten „unbedingt verpflichtet“ fühlten und selbst
       rechtsextrem dachten. Die „naheliegende Möglichkeit“, dass das rassistische
       Trio mit der Waffe Migranten erschießen würde, hätten beide erkannt, betont
       der Oberstaatsanwalt.
       
       ## Bestehender Tatverdacht
       
       Wohlleben reagiert teils kopfschüttelnd auf die Worte, Carsten S. verzieht
       keine Miene. Und Weingarten legt noch nach: Wohlleben habe auch ein
       „klandestines Kontaktsystem“ um das abgetauchte Trio aufgebaut, in dem er
       deren telefonische Aufträge bearbeitete und Mittelsmänner koordinierte,
       einen davon Carsten S. Für die Terrorgruppe habe Wohlleben damit eine
       „zentrale Bedeutung“ gehabt.
       
       Die Ausführungen hatten sich abgezeichnet. Als einziger Angeklagter neben
       Zschäpe sitzt Wohlleben bis heute in U-Haft. Seine Entlassung war immer
       wieder abgelehnt worden, weil der Tatverdacht fortbestehe. Carsten S.
       dagegen ist in einem Zeugenschutzprogramm und darf ein mildes Urteil
       erwarten – wegen seines Geständnisses und seines zur Tatzeit jugendlichen
       Alters.
       
       Wohlleben nutzte den Prozess zuletzt noch für offene Szeneparolen. Seine
       Anwälte beantragten, festzustellen, dass Deutschland der „Volkstod“ drohe
       oder wollten den Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß aufklären. Für
       Wohllebens Plädoyer lässt das wenig Gutes erahnen. Dieses wird für den
       Herbst erwartet. Vorher noch gibt es eine vierwöchige Sommerpause. Erst
       danach wird die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer beenden, im Anschluss
       wollen die Opferanwälte plädieren – rund 60 Stunden lang. Erst danach
       folgen die Schlussworte aller Verteidiger.
       
       31 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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