# taz.de -- Bundestagsgutachten über Seenotretter: Italiens Kodex ist völkerrechtswidrig
> Ein neues Bundestagsgutachten weist darauf hin, dass Menschen in Seenot
> gerettet werden müssen. Italien dürfe den Zugang zu Nothäfen nicht
> einfach verweigern.
IMG Bild: Wer Seenotleidende rettet, muss sie an Land bringen dürfen: Schiff im Mittelmeer
Osnabrück epd | Der Versuch Italiens, Hilfsorganisationen bei der Rettung
von Flüchtlingen im Mittelmeer zu behindern, verstößt einem Gutachten
zufolge gegen Völkerrecht. Das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des
Bundestages unterstreicht die völkerrechtliche Pflicht der EU-Staaten, bei
der Rettung von Menschen aus Seenot zusammenzuarbeiten und auch Hilfe
leistenden zivilen Schiffen einen Nothafen anzubieten, [1][wie die Neue
Osnabrücker Zeitung berichtet]. Der italienische Staat hat damit gedroht,
privaten Seenotrettern die Einfahrt in italienische Häfen zu verweigern,
wenn sie einen umstrittenen Verhaltenskodex nicht unterzeichnen.
In dem Gutachten, das der Zeitung vorliegt, schreiben die Wissenschaftliche
Dienste, die EU-Mitgliedstaaten hätten zwar einen Ermessensspielraum.
Dieser dürfe aber nicht dazu führen, dass die Koordinierung von
Rettungsaktionen blockiert wird oder ins Leere läuft.
Die Dienste kommen zu dem Ergebnis, dass das im Kodex vorgesehene Verbot,
Flüchtlinge auf größere Schiffe wie Frachter oder Containerschiffe
umsteigen zu lassen, internationalen Abkommen widerspricht. Jeder Staat
müsse dafür sorgen, dass der Kapitän des Hilfe leistenden Schiffes so
schnell wie möglich die Geretteten absetzen und seinen ursprünglichen Kurs
wiederaufnehmen kann. Der Kodex, den die meisten Hilfsorganisationen nicht
unterzeichnen wollen, sei zudem nicht rechtsverbindlich.
Nach Schätzungen werden derzeit mehr als 40 Prozent der geretteten
Bootsflüchtlinge im Mittelmeer von privaten Hilfsorganisationen
aufgenommen, wie die Zeitung schreibt. Die innenpolitische Sprecherin der
Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, nannte den Verhaltenskodex der
italienischen Regierung einen „völkerrechtswidrigen Knebelvertrag“. Jelpke
sagte: „Es geht offensichtlich nur darum, mutige Aktivisten beim Retten von
Schutzsuchenden zu behindern. Menschenleben werden hier eiskalt dem
EU-Abschottungswahn geopfert.“
Die italienischen Behörden hatten am Mittwoch [2][ein Rettungsschiff der
deutschen Hilfsorganisation „Jugend Rettet“ im Hafen von Lampedusa
beschlagnahmt]. Begründet wurde dies mit laufenden Ermittlungen über
mögliche Beziehungen zwischen Hilfsorganisationen und Schleusern. „Jugend
Rettet“ hat den umstrittenen Verhaltenskodex nicht unterzeichnet.
3 Aug 2017
## LINKS
DIR [1] https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/931655/bundestags-gutachten-staerkt-hilfsorganisationen-den-ruecken
DIR [2] /Deutsche-Seenotretter-im-Mittelmeer/!5438260
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