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       # taz.de -- Halbfinale bei der EM-Frauenfußball: Oranje-Team erstmals im Endspiel
       
       > Die Niederländer feiern ihre Nationalspielerinnen. Im Halbfinale
       > besiegten sie das englische Team. Auch die Däninnen schafften es ins
       > Finale.
       
   IMG Bild: Die niederländische Spielerin Danielle van de Donk (r.) erzielt das 2:0
       
       Enschede taz | Ganz sachte trieb der Wind in der 35. Minute einen orangenen
       Luftballon auf den Rasen. Und Anouk Dekker, die niederländische
       Verteidigerin, tat, was man eben tut, wenn einem an einem störungsfreien
       Spiel gelegen ist: Sie trat drauf. Peng! Ein orkanartiger Jubel brandete im
       Stadion von Enschede auf.
       
       Mit 27.093 Zuschauern hatte man im Halbfinalspiel gegen England wieder
       einen neuen Rekord zu vermelden gehabt. So viele Menschen haben in den
       Niederlanden noch nie den Frauen beim Kicken zugesehen. Der Frauenfußball
       versetzt die Niederländer in diesen Tagen in Ekstase. Und die Geschichte
       mit dem Luftballon zeigt: schon der geringste Anlaß reicht aus, um die
       Emotionen zu befeuern.
       
       Am Ende der Partie hatten die orangegewandeten Menschenmassen allerdings
       Einmaliges zu feiern. Nach dem berauschenden 3:0-Erfolg steht der Gastgeber
       der Europameisterschaft erstmals im Endspiel. Mit Dänemark treffen sie dann
       am Sonntag (17 Uhr) auf einen anderen Überraschungsfinalisten, der wiederum
       das österreichische Überraschungsteam im Elfmeterschießen bezwang. Diese EM
       wirbelt derzeit gleich mehrfach Hackordnungen durcheinander.
       
       Für die Portraitfotos aller jemals beim FC Twente Enschede aktiven
       Männerprofis, welche die Wand eines langen schmalen Ganges im
       Stadioninneren zieren, hatte keiner mehr ein Auge. Davor standen
       schließlich die neuen Heldinnen, um die sich die zahlreichen heimischen
       Medienvertreter drängten. „Die Festung“, wie das Stadion in Enschede auch
       genannt wird, hatten an diesem Abend die Frauen für sich eingenommen.
       Jackie Groenen, die in einem starken Team zu den stärksten zählte, und beim
       1. FFC Frankfurt aktiv ist, schwärmte: „Das Team ist gut, aber das Pubilkum
       macht ganz viel aus. Sie sind übertrieben cool.“
       
       Nach dem Eröfnnungsspiel hatte Groenen bereits erzählt, wie man sich
       innerhalb des Teams gesagt habe: „Mädels schaut mal, die kommen alle nur
       wegen uns, aber ab jetzt geht es nur darum, es zu genießen.“ Mit den
       Erwartungen der eigenen Fans, die mancherorts schon häufig lähmend gewirkt
       haben, verstehen die „Oranje Leeuvinnen“, wie sie hierzulande genannt
       werden, umzugehen. Die Trainerin Sarina Wiegmann erklärte, man habe sich
       mit dem Thema Druck auseinandergesetzt. „ Wir haben uns gesagt, wenn wir
       alles geben, können wir unabhängig vom Ergebnis stolz sein. Diese
       Einstellung hilft uns, Spiele zu gewinnen.“
       
       ## Ein furioses Halbfinale
       
       Das furiose Halbfinale gegen England kann jedenfalls als Beleg dafür
       angeführt werden. Die Niederländerinnen kamen in einer sehr intenviv und
       schnell geführten Partie besser ins Spiel und beglückten ihre Anhänger
       bereits in der 22. Minute mit einem lehrbuchhaft herausgespielten Tor.
       Groenen hatte auf der rechten Seite einen spielöffnenden Pass erhalten.
       Ihre Flanke in den Strafraum köpfte Vivianne Miedema ins Tor. Die
       niederländischen Fans riss es auf den steilen Rängen immer wieder von den
       Sitzen, wenn ihr Team einen Angriff startete.
       
       Mit ihren häufig lang gespielten Bällen vermochten es die Engländerinnen
       hin und wieder, Gefahr zu erzeugen. Ihre gefürchtete Stürmerin Jodie Tayor,
       die mit fünf Treffern beste EM-Torschützin ist, kam jedoch meist nur aus
       spitzem Winkel zum Abschluß. Beim vorentscheidenden zweiten Treffer (62.)
       für die Gastgeber half dann gar Fara Williams maßgeblich mit. Bei ihrem
       Kopfball zurück auf die eigene Torhüterin hatte sie Danielle van de Donk
       übersehen.
       
       Auf Seiten der Niederlande hätten sich an diesem Abend eine Reihe von
       Spielerinnen für eine Extrawürdigung angeboten. Doch Sarina Wiegman hatte
       sich nach diesem besonderen Spiel ihre Blumen für eine Fußballerin
       aufgehoben, die niemand im Sinn hatte. Sie könne viele Beispiele aufzählen,
       sagte sie, warum sie ein wirkliches Team trainiere, wolle sich aber auf
       eines beschränken. Ihre Kapitänin Mandy van den Berg habe wieder wie bei
       den Turnierspielen zuvor auf der Bank Platz nehmen müssen.
       
       „Aber sie ist die ganze Zeit für alle da im Team. Ich bin wirklich stolz
       auf sie.“ Das ist gewiss keine leichte Angelegenheit in diesen Tagen:
       Zuschauen, wenn die Kolleginnen schon für das Zerplatzten von Luftballons
       gefeiert werden.
       
       4 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
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