# taz.de -- Krise in Venezuela: Alleinherrschaft übernommen
> Der Verfassungsgebenden Versammlung sind jetzt alle staatlichen Gewalten
> unterstellt. Aus dem Ausland kommt heftige Kritik.
IMG Bild: Die Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung in Caracas
Caracas taz | In Venezuela hat die Verfassungsgebende Versammlung (VV) die
Alleinherrschaft übernommen. Zukünftig müssen Präsident, Parlament, Justiz,
Oberster Wahlrat sowie alle autonomen staatlichen Behörden die
Entscheidungen der VV anerkennen. Am Dienstag billigten die 545 Mitglieder
einstimmig ein Dekret, nach dem alle staatlichen Gewalten der VV
unterstellt sind. Begründet wird die Anordnung mit der aktuellen
Verfassung. „Die bestehenden Gewalten können die Entscheidungen der
Verfassungsgebenden Versammlung in keiner Weise verbieten,“ heißt es in
Artikel 349.
Erstmals fand die Sitzung der Verfassungsgebenden Versammlung in dem
halbmondförmigen Plenarsaal statt, der eigentlich der Nationalversammlung
vorbehalten ist. Einheiten der Nationalgarde waren in Begleitung der
VV-Präsidentin Delcy Rodriguez in der Nacht auf Dienstag in das
Parlamentsgebäude eingedrungen und hatten es abgeriegelt. Seither wird den
Abgeordneten der Nationalversammlung der Zugang verwehrt.
„Diese Regierung dringt in Räume ein, die sie nicht auf legitime Weise
gewinnen kann“, twitterte der Fraktionschef der rechten Opposition, Stalin
González, nachdem ihn Nationalgardisten am Betreten des Salón Elíptico
gehindert hatten. Noch am Montag hatte die Nationalversammlung mit der
Mehrheit der Opposition beschlossen, keine Entscheidungen der VV
anzuerkennen.
## Kritik aus dem Ausland
Außenpolitisch gerät Venezuela weiter unter Druck. Am Dienstag bekräftigen
17 amerikanische und karibische Staaten bei einem außerordentlichen Treffen
in der peruanischen Hauptstadt Lima ihre Nichtanerkennung der
Verfassungsgebenden Versammlung, darunter Argentinien, Brasilien,
Kolumbien, Mexiko und Kanada. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten
sie das Vorgehen von Präsident Nicolás Maduro, dem sie einen „Bruch der
demokratischen Ordnung“ vorwarfen und solidarisierten sich mit der
demokratisch gewählten Nationalversammlung. Die USA hatten keinen Vertreter
zu dem Treffen entsandt.
Heftige Kritik kommt erstmals auch von den Vereinten Nationen. So seien
seit April rund 5000 Menschen festgenommen worden, stellt das UN-Büro des
Hohen Kommissars für Menschenrechte in einem am Dienstag veröffentlichten
Bericht fest. Davon befänden sich 1000 noch immer in Haft. 124 Menschen
seien bei gewaltsamen Protesten umgekommen. 46 von ihnen seien von
Sicherheitskräften getötet worden, 27 von bewaffneten Gruppen auf Seiten
der Regierung. Die übrigen Fälle seien nicht geklärt.
Prozesse fänden häufig vor Militärgerichten statt und nicht vor zivilen
Strafkammern. In der Haft komme es zu Folter durch Stromstöße, Schläge mit
Stöcken und Helmen, Todesdrohungen und in einigen Fällen zur Androhung
sexueller Gewalt gegen die Inhaftierten oder ihre Familien. 135
Zeugenaussagen seien für den UN-Bericht ausgewertet worden. „Die
Verantwortung für die Verletzungen der Menschenrechte tragen die obersten
Ebenen der Regierung“, sagte der Hohe Kommissars für Menschenrechte, Seid
al-Hussein.
9 Aug 2017
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DIR Jürgen Vogt
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