# taz.de -- TXL-Tour mit der Linken: Fahren, wo andere fliegen
> Die Linken-Politiker Lompscher. Wolf und Schubert haben zu einer Busfahrt
> über das Tegeler Flugfeld eingeladen, um dessen Potenzial zu
> verdeutlichen.
IMG Bild: Wollen hier lieber Wohnungen statt Flieger sehen: Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und Linken-Fraktionschef Udo Wolf auf dem TXL-Gelände
Die Freifläche des Flughafens Tegel ist gewaltig. So gewaltig, dass selbst
eine Stadtentwicklungssenatorin mal die Orientierung verlieren kann. „Wenn
ich mich nicht täusche, sind wir jetzt im Westen des Geländes angelangt“,
sagt Katrin Lompscher ins Bus-Mikrofon und wird von der kleinen
Ausflugsgesellschaft lautstark korrigiert – man ist nämlich in der
östlichsten Ecke angekommen. „Das kommt daher, dass die Sonne heute nicht
scheint“, kontert die Linkenpolitikerin.
Zusammen mit zwei GenossInnen aus dem Abgeordnetenhaus – der
Linken-Landeschefin Katina Schubert und dem Fraktionvorsitzenden Udo Wolf –
hat Lompscher die Presse und einige Contra-Tegel-Aktivisten zur Rundfahrt
über das Gelände eingeladen, um im Vorfeld des TXL-Volksentscheids noch
einmal das städtebauliche Potenzial des Areals zu verdeutlichen. Wobei es
dann doch keine richtige Runde wird: Trotz vorheriger kompletter
Check-in-Prozedur für alle Insassen und trotz prominenter Besetzung darf
der Bus nicht das Regierungsterminal am nördlichen Rand passieren.
Trotzdem kann man bei einem Halt in besagter Ostspitze erahnen, wie viel
Platz es hier für die geplante künftige Wohnungsbebauung gibt. Das
„Schumacher Quartier“ soll einmal aus 5.000 Wohneinheiten für rund 10.000
Menschen bestehen, errichtet werden die Gebäude nach bisherigem
Planungsstand zu einer Hälfte von landeseigenen Wohungsbaugesellschaften
und zur anderen von Genossenschaften, privaten Baugruppen oder dem
Studierendenwerk. Weil die angrenzenden ehemaligen Allierten-Quartiere Cité
Pasteur und Cité Guynemer nachverdichtet werden sollen, ist sogar von 9.000
neuen Wohnungen die Rede.
Wann das bezahlbare Wohnen auf dem heutigen Flugfeld Realität sein soll?
„Die Jahreszahl müssen Sie sich wegdenken“, sagt die Senatorin, als sie ein
paar bunte Grafiken der Entwicklungsgesellschaft Tegel Projekt GmbH
herumzeigt. Sie hält die „2018“ – oder ist es eine „2017“? – dann auch
schnell mit dem Daumen zu, es werden ja Foto und Filmaufnahmen gemacht. In
jedem Fall, so Lompscher, soll es zügig vorangehen, wenn der BER erst
einmal in Betrieb gegangen ist: „Unsere Leute in der Verwaltung sitzen auf
Kohlen.“ Die Stadtplaner hätten dann auch ein deutlich höheres Budget zur
Verfügung als die 15 bis 20 Millionen Euro, mit denen die Tegel Projekt
heute ihren planerischen Job tun kann.
Wenn es so kommt, wie Lompscher, Schubert und Wolf es sich erhoffen, wird
in nur rund fünf Jahren außer dem Schumacher Quartier auch das Gerüst der
„Urban Tech Republic“ rund um das heutige Haupt-Terminal A stehen. Im
Terminal selbst, dem berühmten Hexagon mit den kurzen Wegen, wird die im
Wedding beheimatete Beuth Hochschule für Technik ihren zweiten Standort
einrichten, drumherum sollen sich Forschungsinstitute, Start-ups und
innovative Industrien ansiedeln. Ist all das einmal komplett, bleibt die
Hälfte des heutigen Flughafens, rund 245 Hektar, weiterhin frei – ein
„Landschaftsraum“, der sich im Norden zum Jungfernheide-Forst mit dem
Flughafensee öffnet. Auch der südlich anschließende Park Jungfernheide
könnte wieder eine prominentere Rolle im Stadtleben spielen.
## Lärm weg, Lärm da
Wenn TXL dicht macht, schießen in den heute verlärmten Kiezen die Mieten in
die Höhe, prophezeien die FDP und andere Tegel-Retter gerne und gerieren
sich damit als Anwälte der kleinen Leute. Katina Schubert, deren Wahlkreis
im Märkischen Viertel liegt, muss deshalb heute auch noch eine gute
Nachricht loswerden: Das Bezirksamt Reinickendorf prüfe bereits
Milieuschutz für die Kieze in der Einflugschneise – „auch weil die Linke in
der BVV das immer wieder einfordert“. Diese „gute Nachricht, die mich auch
überrascht hat“ (Lompscher) passt allerdings dazu, dass
Bezirksbürgermeister Frank Balzer als einer von ganz wenigen in der
Berliner CDU an deren Erkenntnis festhält, dass ein „Weiter so“ für Tegel
vollkommen äußerst unvernünftig wäre.
Für die Menschen im künftigen Schumacher Quartier hingegen könnte sich ein
– nicht nur – akustisches Problem auftun: Zwar soll der Autobahnzubringer
vom Kurt-Schumacher-Damm zur A 111 in Richtung Hamburg zur gewöhnlichen
Stadtstraße zurückgebaut werden. Allerdings fungiert dieser meist ziemlich
leere Zubringer mit unschöner Regelmäßigkeit als Überlaufventil für den
Flughafentunnel: Wenn der Stau auf der Stadtautobahn im Berufsverkehr bis
in den Tunnel reicht, muss dieser aus Sicherheitsgründen vorübergehend
geschlossen werden – das ist allgemeine Vorschrift. Dann aber wird die
Blechlawine über den Zubringer umgeleitet – und würde sich später in das
ruhige Schumacher Quartier ergießen.
Katrin Lompscher, darauf angesprochen, wiegelt ab. Sie kenne das Problem,
sagt sie zur taz, aber sie sei sicher, dass man das in den Griff bekommen
werde: „Wenn unsere Politik erfolgreich ist, wird es dann ja auch weniger
Staus geben.“
17 Aug 2017
## AUTOREN
DIR Claudius Prößer
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