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       # taz.de -- Gesundheit in Uganda: Neue Hoffnung für Krebskranke
       
       > Fast anderthalb Jahre lang blieben zehntausende Patienten unbehandelt.
       > Jetzt wird Ostafrikas wichtigstes Krebsinstitut wieder arbeitsfähig.
       
   IMG Bild: Hier ist auch Platz für Kinder: das Krebsinstitut in Kampala, Uganda, im Jahr 2009
       
       Kampala taz | Die Treppenstufen sind frisch gebohnert, das
       Notaufnahmeschild hell erleuchtet. Es zeigt zu einem Seiteneingang des
       Neubaus von Ugandas Krebsinstitut. Das moderne, vierstöckige Gebäude wurde
       vergangene Woche auf dem großen Gelände des Mulago-Krankenhauses in Ugandas
       Hauptstadt Kampala eingeweiht.
       
       Hinter dem Neubau hebt ein Bagger eine Grube aus: Gewaltige Stahlträger
       werden mit meterdickem Beton ausgeschüttet. Hier entsteht ein neuer
       strahlensicherer Bunker. In Uganda, wo neben Einheimischen auch Kongolesen,
       Ruander, Burundier und Südsudanesen zur Krebsbehandlung hingehen, kann nun
       bald wieder mit Strahlentherapie gegen Tumore vorgegangen werden.
       
       Ugandas einziges Bestrahlungsgerät war im April 2016 kaputtgegangen. Die
       Lizenz war schon vorher abgelaufen. Das Gesundheitsministerium hatte
       eigentlich die Anschaffung von vier moderneren Geräten geplant, sobald das
       neue Gebäude und der neue Bunker fertig werden. Dass die alte Maschine
       vorher ausfiel, war „unglücklich“, so Doktor Jackson Orem, Direktor des
       Krebsinstituts. „Die Sache musste beschleunigt werden, doch es fehlte erst
       einmal das Geld“, erklärt er.
       
       Das Gesundheitsministerium musste umdisponieren, internationale Geber boten
       finanzielle Hilfe an. Doch ein Gerät, das mit radioaktiver Strahlung
       funktioniert, ist nicht leicht zu beschaffen. Die Internationale
       Atomenergie-Organisation muss den Bunker vorher prüfen und eine
       Transportgenehmigung erteilen. Das dauerte. Auch Mängel am Bunker mussten
       ausgebessert werden.
       
       „Ich bin froh, mitteilen zu können, dass die neue Maschine jetzt da ist und
       wir dabei sind, sie aufzubauen“, so Orem diese Woche gegenüber der taz. In
       ein paar Wochen soll die erste von vier neu bestellten Cobalt-60-Maschinen
       einsatzbereit sein, in einem alten, aber immerhin renovierten Bunker.
       
       ## Finanziell unabhängig
       
       „Zumindest hat uns der Zusammenbruch der Maschine geholfen, unser System
       langfristig komplett zu reorganisieren“, sagt Direktor Orem zufrieden, wenn
       auch erschöpft. Innerhalb eines Jahres hat er lang ausstehende Reformen
       bewältigt: Ostafrikas führendes Krebsinstitut wurde finanziell unabhängig.
       
       Orem kann nun über sein Budget selbstständig bestimmen. Das neue Gebäude
       entspricht internationalen Standards. Pünktlich zur 50-Jahr-Feier des
       Instituts konnte er es einweihen. Dazu hat er Partner aus aller Welt zu
       einer Krebskonferenz nach Kampala eingeladen.
       
       Nun sucht Orem nach Geld, um der „vernachlässigten Seuche“, wie er es
       nennt, den Kampf anzusagen. „Die internationalen Geber spenden viel Geld
       für den Kampf gegen HIV/AIDS, Malaria, Tuberkulose oder andere
       Tropeninfektionen. Doch Krebs ist und bleibt in Uganda eine der tödlichsten
       Krankheiten überhaupt.“ 85 Prozent der Patienten sterben innerhalb eines
       Jahres nach der Diagnose. Würden Diagnosen und Behandlung schon einsetzen,
       wenn der Tumor noch nicht weit fortgeschritten ist, ließe sich die
       Todesrate extrem senken – vor allem bei Kindern.
       
       Die Kinderklinik liegt im dritten Stock des Krebskrankenhauses. 40 rosa
       Kinderbetten mit bunter Bettwäsche stehen da, fast alle belegt. Ein
       abgemagerter kleiner Junge saust vergnügt quiekend mit einem Bobbycar durch
       den Korridor, zieht den Ständer mit dem Infusionsbeutel hinter sich her,
       dessen Nadel in seinem Unterarm klemmt. Oberschwester Lucy Mulyagonja
       lächelt ihm zu und wendet sich seiner Mutter zu, die erschöpft unter dem
       Kinderbett auf einer Bastmatte döst: „Je mehr Betten wir haben, desto mehr
       Kinder kommen“, seufzt die Oberschwester.
       
       Platz für die Eltern gibt es in der Station nicht. Oft kampieren Angehörige
       wochen-, gar monatelang auf den Fluren und in den Wartesälen, um sich um
       die Patienten zu kümmern und Essen zu besorgen. Um die teure Therapie und
       den stationären Aufenthalt eines einzigen Angehörigen zu finanzieren, muss
       oft die ganze Großfamilie zusammenlegen. Immerhin: Die Medikamente sind
       kostenlos.
       
       Anders als in Europa oder den USA seien die meisten Krebsarten ausgelöst
       durch Virusinfektionen und nicht durch ungesunden Lebensstil, sagt Orem. Es
       trifft vor allem die Armen: „Viren verbreiten sich in den Slums sehr rasch,
       die Menschen gehen selten zum Arzt, weil sie sich die Tests nicht leisten
       können. Und bei einer eventuellen Diagnose ist es dann meist zu spät.“
       
       30 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
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