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       # taz.de -- Konflikt um Berg-Karabach: Nach dem Veto folgt jetzt das Aus
       
       > Die OSZE schließt ihr Büro in Jerewan, den letzten Standort im
       > Südkaukasus. Der Grund ist ein Nein Aserbaidschans zu einer
       > Mandatsverlängerung.
       
   IMG Bild: Vor einem Jahr besuchte der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das OZSE-Büro in Jerewan
       
       Berlintaz |In einem mehrstöckigen Gebäude im Zentrum der armenischen
       Hauptstadt Jerewan sitzt das Büro, dass Journalisten „eine der wichtigsten
       Säulen“ der Meinungsfreiheit nennen. Hier befindet sich seit 2000 die
       Vertretung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
       (OSZE). Sie war der Ansprechpartner für die Ausbildung von Polizisten. Und
       sie war Initiator zahlreicher Projekte für Frauen und zur Förderung von
       Demokratie und Menschenrechten. Trotzdem müssen die rund 50 Mitarbeiter am
       Donnerstag ihre Schreibtische räumen: Die OSZE schließt ihren einzigen noch
       verbliebenen Standort im Südkaukasus.
       
       Denn die Arbeit der Organisation passt nicht allen: Um in Jerewan
       weiterarbeiten zu können, hätten wegen des Konsensprinzips alle 57
       OSZE-Mitgliedstaaten der Mandatsverlängerung zustimmen müssen. Diese wurde
       jedoch von Aserbaidschan torpediert.
       
       Hintergrund ist der Konflikt um Berg-Karabach. Nach dem Zerfall der
       Sowjetunion 1991 hatte sich Berg-Karabach als Republik für unabhängig
       erklärt, ist allerdings von keinem Staat anerkannt. Völkerrechtlich gehört
       das Gebiet weiter zu Aserbaidschan, wird aber von Karabach-Armeniern
       bewohnt und von Armenien kontrolliert. Immer wieder kommt es zu Gefechten,
       bei denen Menschen getötet werden.
       
       Die Minsker OSZE-Gruppe, der neben Aserbaidschan und Armenien auch die USA,
       Frankreich und Russland angehören, versucht seit 1992 in dem Konflikt zu
       vermitteln. Monitoring-Maßnahmen der Minsker OSZE-Gruppe in Karabach
       beziehungsweise ein Programm für Minenräumung wertet Baku als Unterstützung
       für Armenien, die es zu verhindern gilt.
       
       Das OSZE-Büro in Baku wurde bereits 2015, kurz vor dem Beginn der
       Europaspiele, geschlossen – auf eigenen Wunsch der Regierung von Präsident
       Ilham Alijew. Für den armenischen Politikwissenschaftler Gevorg Melikjan
       ist der Grund offensichtlich. „Baku will keine internationalen
       Organisationen auf seinem Territorium zulassen, da deren Tätigkeiten die
       Autokratie des Alijew-Regimes beschädigen könnten“, sagt er. Mit der
       Schließung des Büros in Jerewan wolle Baku Armenien von der internationalen
       Gemeinschaft beziehungsweise der OSZE isolieren.
       
       ## Ein großer Verlust
       
       Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Dennoch sieht Suren Deherjan die
       weitere Entwicklung pessimistisch. Er leitet den armenischen Verein
       „Journalisten für die Zukunft“, der seit 2009 mit der OSZE
       zusammenarbeitet. „Wir verlieren einen zuverlässigen und unparteiischen
       Partner“, sagt er. „Das OSZE-Büro war eine große Unterstützung für die
       Etablierung demokratischer Werte in Armenien.“
       
       Seit 2000 unterstützt die OSZE-Mission Armenien bei der Schaffung
       demokratischer Institutionen und Transformationsprozesse im
       postsowjetischen Raum. Die Mission mit einem jährlichen Budget von 2,8
       Millionen Euro engagiert sich vor allem in den Bereichen Menschenrechte und
       Umweltschutz und bei der Bekämpfung gegen die weit verbreitete Korruption.
       
       Eine der zentralen Aufgaben der Jerewaner OSZE-Dependance war die
       Modernisierung des Polizeidienstes mit dem Ziel, die Polizei zu einem
       unparteiischen Garanten für die Sicherheit der Bürger zu machen. Nach 26
       Jahren Unabhängigkeit orientieren sich die Strukturen immer noch stark an
       der sowjetischen Miliz. Fasst immer haben die armenischen Präsidenten
       versucht, die Polizeikräfte zu instrumentalisieren, um sich ihren Verbleib
       an der Macht zu sichern.
       
       Regelmäßig kommt es nach Wahlen zu brutalen Zusammenstößen zwischen
       Polizisten und Demonstranten. 2010 startete die OSZE in Zusammenarbeit mit
       den armenischen Behörden ihr Großprojekt für eine polizeiliche
       Bildungsreform. Die PolizeianwärterInnen werden in einem dreistufigen
       Verfahren ausgebildet, das auch mit einem Master an der Polizeiakademie
       abgeschlossen werden kann. Wie es mit diesem Projekt weitergeht, ist
       unklar.
       
       Für den Politologen Gevorg Melikjan hängt nicht alles an der Präsenz einer
       OSZE-Vertretung in Jerewan. „Es gibt alternative Wege für eine
       Zusammenarbeit mit der OSZE. Wir werden sie finden.“
       
       30 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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