URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Der Schildawald
       
       > Um es kurz zu machen: Irland führt so manches im Schilde. Doch lesen Sie
       > selbst …
       
       Welcher Ministerbruder es ist, habe ich noch nicht herausbekommen. Aber
       irgendein Verwandter eines einflussreichen irischen Politikers besitzt eine
       Fabrik für Verkehrsschilder. Anders ist das gehäufte Auftreten vollkommen
       sinnloser Schilder nicht zu erklären. Mitten im Land oder an der
       inneririschen Grenze stößt man immer wieder auf Hinweise, die einen in drei
       Sprachen zum Linksfahren ermahnen. Wer es bis ins Landesinnere geschafft
       hat, sollte es eigentlich draufhaben. Es kann zwar nicht schaden, hin und
       wieder daran erinnert zu werden – aber auf einem einspurigen Feldweg?
       
       Vor zwölf Jahren hat man die Geschwindigkeitsbegrenzung von Meilen auf
       Kilometer umgestellt, 35.000 Schilder wurden über Nacht ausgetauscht und
       23.000 zusätzliche aufgestellt. Das ist lange her, der Markt ist
       ausgereizt. Doch dann hatte die Schildermafia eine Idee. Schließlich gibt
       es bei Straßenbauarbeiten ständig Bedarf an temporären Schildern. Es gibt
       keinen Grund, sich dabei an die üblichen Werte zu halten. Nun gibt es
       Höchstgeschwindigkeiten von 35, 55 oder 85 km/h. Der Fantasie sind keine
       Grenzen gesetzt: Vielleicht sind 55 km/h zu schnell, aber 50 km/h zu
       langsam? Also ein Schild mit 53 km/h?
       
       Auf der Dubliner Ringautobahn weisen riesige blaue Schilder auf eine
       Mautbrücke hin. Eines Nachts wurden sie durch identische Schilder ersetzt –
       allerdings in Lila. Die Brücke ist übrigens nicht nur für die
       Schildergauner, sondern auch für die privaten Betreiber lukrativ. Die
       Politiker haben nämlich vergessen, die Einnahmequelle zeitlich zu
       begrenzen.
       
       Die Firma hat für den Bau 58 Millionen Euro investiert, nimmt aber pro Jahr
       46 Millionen ein. Bis 2020 wird die Brücke weit über eine Milliarde für den
       privaten Investor – ein weiterer Ministerbruder? – abgeworfen haben.
       Deshalb ist neulich einer auf den Betonbogen, an dem die Kamera befestigt
       ist, geklettert und hat die Kabel durchgeschnitten, so dass die Autos drei
       Tage lang nicht registriert werden konnten. Das Unternehmen wird es
       verschmerzen.
       
       Der Schilderfabrikant hat wenigstens Humor, was bei dieser lustigen
       Einnahmequelle auf der Hand liegt. „Europäische Direktive“, heißt es auf
       einem Schild. „Pflanzen, wilde Tiere und Leprechauns sind in dieser Gegend
       geschützt. Jäger und Glücksritter werden strafverfolgt.“ Der Leprechaun ist
       eine Feengestalt.
       
       Ein anderes Schild steht am Rande eines dichten Gebüschs, es zeigt auf
       gelbem Grund einen Jungen und ein Mädchen. Soll das ein Hinweis auf eine
       geeignete Stelle für paarungswillige Teenager sein? Eins der
       unergründlichsten Warnschilder zeigt eine steile Uferböschung sowie Wasser,
       auf dem ein Mann läuft. Jesus ist hier unerwünscht? Der Gipfel der
       Sinnlosigkeit ist allerdings ein Schild in freier Landschaft, dass
       lediglich davor warnt, dass ebendieses Schild scharfe Kanten habe und nicht
       angefasst werden solle. Hut ab, Ministerbruder, das ist dein Meisterstück
       in Sachen Unverfrorenheit.
       
       4 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR Irland
   DIR Verkehr
   DIR Hochzeit
   DIR Irland
   DIR Irland
   DIR Diät
   DIR Nordirland
   DIR Großbritannien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Freigelassene Hochzeitsgäste
       
       Trauungsfeiern werden immer opulenter. Aber warum lässt man zur Vermählung
       ausgerechnet Schmetterlinge aufsteigen?
       
   DIR Die Wahrheit: Die Drumcondra-Connection
       
       Ray Burke bekleidete von 1979 bis 1997 praktisch jedes Amt im Kabinett –
       und deklarierte Bestechungsgelder in seiner Steuererklärung nicht.
       
   DIR Die Wahrheit: Die Lockenwicklernattern
       
       Kate öffnet den Kofferraum, nimmt einen Bademantel heraus und zieht ihn an.
       Zu guter Letzt dreht sie sich Lockenwickler in die Haare …
       
   DIR Die Wahrheit: Zehn ganze Portionen am Tag
       
       „Nach zwei Tagen komme ich mir vor wie eine Komposttonne. Wozu ewig leben,
       wenn man dafür auf Laub herumkauen muss? …“
       
   DIR Die Wahrheit: Mumien, die auf Ziegen reiten
       
       Einem Mitglied des nordirischen Oranier-Ordens ist etwas Schlimmes
       aufgefallen: Ein katholischer Brauch hat sich bei den Protestanten
       eingeschlichen.
       
   DIR Die Wahrheit: Der Kotzbrocken und der Rebell
       
       Mick Jagger kann einfach keine Ruhe geben. Jetzt hat der ebenso steinalte
       wie steinreiche Rolling Stone auch noch ein Lied über den Brexit
       geschrieben.