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       # taz.de -- Eingeschränkte Zuständigkeit: Verlegerregierung verlagert Verleger
       
       > NRW-Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner darf nichts mehr mit Medien
       > machen. Als einflussreicher Verleger bleibt er jedoch am Kabinettstisch.
       
   IMG Bild: Millionen stehen hinter ihm: Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) bei seiner Vereidigung am 30. Juni 2017 in Düsseldorf
       
       Ein bisschen Veränderung – damit es so weitergehen kann. In
       Nordrhein-Westfalen hat Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Notbremse
       gezogen und bereits nach wenigen Wochen schwarz-gelber
       Regierungsverantwortung die Zuständigkeiten in seinem Kabinett neu
       geregelt. Der umstrittene Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU)
       darf zwar weiter Minister bleiben – aber ab sofort nicht mehr für
       Medienpolitik zuständig sein.
       
       Damit reagiert Laschet auf die Kritik an seiner seit Wochen debattierten
       Personalentscheidung, den Verleger und Rechtsanwalt, ehemaligen
       Kohl-Vertrauten und einflussreichen Gesellschafter der Funke-Mediengruppe,
       Stephan Holthoff-Pförtner, in Nordrhein-Westfalen über die Medienpolitik
       befinden zu lassen.
       
       Oppositionspolitiker und Journalistenverbände, aber auch zahlreiche
       Staatsrechtler sahen eine Interessenkollision und hatten öffentlich
       kritisiert, dass Holthoff-Pförtner kaum eine Entscheidung treffen könne,
       die keinen Einfluss auf sein eigenes Unternehmen und Vermögen habe.
       
       Holthoff-Pförtner hält 16,7 Prozent an der im Ruhrgebiet mächtigen
       Funke-Mediengruppe, die unter anderem die Westdeutsche Allgemeine Zeitung
       und zahlreiche andere Titel herausgibt, Lokalradios betreibt und allein im
       Jahr 2015 einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro erzielte.
       
       Die taz hatte letzte Woche im [1][taz-Hausblog] ausführlich über die
       Verquickungen zwischen der schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf und den
       nordrhein-westfälischen Verlegern berichtet. Einen Tag später teilte die
       Staatskanzlei in Düsseldorf mit, dass Holthoff-Pförtner die Zuständigkeiten
       im Bereich Medien entzogen werden. Ministerpräsident Laschet begründete
       seine Entscheidung damit, Stephan Holthoff-Pförtner könne „nicht mit der
       notwendigen Unvoreingenommenheit Entscheidungen als Medienminister fällen“.
       
       ## Stimmrechte für Adoptivsohn
       
       Holthoff-Pförtner hatte zuvor extra seine Stimmrechte im Funke-Konzern an
       einen Mitarbeiter seiner Anwaltskanzlei, Georg Scheid, weitergereicht, den
       er bereits zuvor zum Adoptivsohn gemacht hatte. Auch Holthoff-Pförtner
       selbst hatte sich einst im Erwachsenenalter adoptieren lassen, um Anteile
       und Stimmrechte in dem Essener Medienkonzern übernehmen zu können. Ehe er
       Ende Juni zum Minister ernannt wurde, war er als Präsident der Deutschen
       Zeitschriftenverleger einer der wichtigsten deutschen Verlegerlobbyisten.
       
       Stephan Holthoff-Pförtner muss sich nun dennoch nicht allzu sehr sorgen,
       denn er verliert nicht viel. Er bleibt als Minister in der Landesregierung
       weiterhin für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie für Internationales
       zuständig. Auch die CDU muss nicht befürchten, dass ihr die Nähe zu den
       Verlegern verloren geht, die einen Großteil der Lokalzeitungen und
       Lokalradios in Nordrhein-Westfalen besitzen – denn neben Holthoff-Pförtner
       sitzt mit Verkehrsminister Hendrik Wüst gleich noch ein zweiter ehemaliger
       Verleger-Lobbyist am Kabinettstisch. Wüst, 42, musste 2010 als
       CDU-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen zurücktreten, nachdem bekannt
       geworden war, dass die Partei Unternehmern gegen Geld vertrauliche
       Gespräche mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeboten
       hatte. Die Sponsoringaffäre wurde unter der Überschrift „Rent a Rüttgers“
       bekannt.
       
       Nachdem Rüttgers Hendrik Wüst fallen lassen hatte, bot ihm der Verband der
       nordrhein-westfälischen Zeitungsverleger, dessen Mitglieder nach eigener
       Aussage 41 Tageszeitungen herausgeben und täglich rund 2,5 Millionen
       Menschen erreichen, einen Posten als Geschäftsführer an. Wüst wurde
       Lobbyist, sein Landtagsmandat behielt er in all der Zeit – und verdiente
       allein im Jahr 2015 zwischen 100.000 und 170.000 Euro – wohlgemerkt neben
       seinen Bezügen als Landtagsabgeordneter.
       
       Damit hat, wer künftig in Nordrhein-Westfalen für Medienpolitik zuständig
       ist, eines sicher: beste Verbindungen zu den Verlegern und damit auch gute
       Bekannte mit einer großen Medienreichweite.
       
       ## Liminski-Connection
       
       Die Zuständigkeit dafür zog Ministerpräsident Armin Laschet nun formell an
       sich. Die damit verbundenen Aufgaben sollen allerdings konkret durch den
       Chef der Staatskanzlei wahrgenommen werden. Dieser heißt Nathanael Liminski
       und ist ebenfalls eine interessante Persönlichkeit. Nathanael Liminski ist
       Sohn des Journalisten Jürgen Liminski, der regelmäßig Beiträge in der
       rechten Wochenzeitung Junge Freiheit, dem Sprachrohr der Neuen Rechten,
       veröffentlicht.
       
       Sohn Nathanael Liminski, der für Armin Laschet die Staatskanzlei leitet und
       ab sofort operativ für die Medienpolitik des Landes zuständig sein wird,
       gehört zum rechten Rand der CDU und machte sich als glühender Katholik und
       Verehrer von Papst Benedikt einen Namen.
       
       3 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://blogs.taz.de/hausblog/2017/08/30/die-verlegerregierung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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