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       # taz.de -- 1.000 Euro für jeden: Geld fürs Nichtstun?
       
       > Dass die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein das bedinungslose
       > Grundeinkommen zumindest prüfen will belebt die Debatte pünktlich zur
       > Bundestagswahl
       
   IMG Bild: Wer eine Maschine dafür hat muss das Grundeinkommen nicht mal selbst zählen
       
       HAMBURG taz| Tausend Euro ohne Vorbedingung, ohne etwas dafür tun zu
       müssen, und das für jeden – nach einem knappen Jahrzehnt Pause ist die
       Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder aufgeflammt. Die
       verführerische Idee hat Befürworter wie Kritiker in allen politischen
       Lagern.
       
       CDU, FDP und Grüne in Schleswig-Holstein haben die Idee als Prüfauftrag in
       ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Bei der Bundestagswahl am 24.
       September tritt mit dem [1][„Bündnis Grundeinkommen“] eine Partei an, die
       sich ausschließlich für dieses Thema einsetzt. Der Hamburger
       Wirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar hat im Februar mit „Radikal gerecht“
       ein Buch zum Thema veröffentlicht und am Mittwoch hatte in Hamburg ein Film
       zum bedingungslosen Grundeinkommen Premiere: „Können und wollen statt
       müssen und sollen“ von Nicki A. Brock.
       
       Vorarbeit ist in der Schweiz geleistet worden, wo sich im vergangenen Jahr
       bei einer Volksabstimmung 22 Prozent für ein bedingungsloses Grundeinkommen
       ausgesprochen haben. Umgerechnet knapp 2.300 Euro für jeden Erwachsenen
       schlug die Schweizer Volksinitiative vor. Daniel Häni, der Sprecher der
       Initiative, bewertete die magere Zustimmung im vergangenen Sommer als
       Erfolg: „Das bedeutet, die Debatte geht weiter, auch international.“
       
       Der Kieler Koalitionsvertrag macht deutlich, dass unter dem Rubrum
       „Grundeinkommen“ bisweilen recht unterschiedliche Dinge verhandelt werden.
       „Wir werden ein Zukunftslabor mit den Akteurinnen und Akteuren der
       Arbeitsmarktpolitik und aus der Wissenschaft ins Leben rufen“, heißt es im
       Koalitionsvertrag. Diskutiert werden sollen dort Dinge wie „ein Bürgergeld,
       ein Grundeinkommen oder die Weiterentwicklung der sozialen
       Sicherungssysteme“.
       
       In den Medien seien die Absichten der Kieler Koalitionäre mit dem
       Schlagwort „Grundeinkommen“ etwas zu plakativ dargestellt worden, sagt
       Arfst Wagner, Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein und
       Mitglied im Grünen-Netzwerk Grundeinkommen. „Was dabei herauskommt, kann
       man überhaupt nicht sagen.“ Ein „ Bürgergeld“, wie es die FDP vertritt,
       unterscheidet sich deutlich vom Grundeinkommen, wie es der Grüne
       propagiert.
       
       Wagner beruft sich auf die Grundsätze des parteiunabhängigen [2][Netzwerks
       Grundeinkommen]. Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll demnach jedem
       Mitglied einer politischen Gemeinschaft die Existenz sichern und
       gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen; es soll einen individuellen
       Rechtsanspruch darstellen, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu
       Arbeit oder andere Gegenleistungen garantiert werden.
       
       Der Ökonom Straubhaar hält nach diesem Modell ein Grundeinkommen von 1.000
       Euro für realistisch. Im Gegenzug würde der bisherige Sozialstaat
       abgeschafft. Jeder Euro, der über das Grundeinkommen hinaus verdient würde
       – ganz gleich, ob es sich um Einkommen aus Arbeit oder Kapital handelt –
       müsste mit 50 Prozent versteuert werden. Daraus würde sich, wie Straubhaar
       vorrechnet, praktisch eine progressive Einkommensteuer ergeben.
       
       Ein Teilhabe sicherndes Grundeinkommen würde seinen Verfechtern zufolge die
       Grundlage dafür schaffen, dass Menschen gesellschaftlich notwendige Arbeit
       leisten, sich weiterbilden und Risiken eingehen können, wenn sie etwas
       Neues schaffen, etwa ein Unternehmen gründen wollen.
       
       Das von der FDP vorgeschlagene Bürgergeld dagegen bewegt sich auf
       Hartz-IV-Niveau. Es ist Bedürftigen vorbehalten und sieht Sanktionen gegen
       Missbrauch vor. Es geht nach wie vor davon aus, dass Menschen zur Leistung
       gezwungen werden müssen.
       
       Mehr zum Thema Grundeinkommen lesen Sie am 9. September in der
       Wochenendausgabe von taz.nord, die es an jedem guten Kiosk von Bremen,
       Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt – oder im [3][e-Paper].
       
       8 Sep 2017
       
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   DIR [1] https://www.buendnis-grundeinkommen.de/
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