URI: 
       # taz.de -- Bundesliga-Nordderby: Schon wieder ein Punkt für Kind
       
       > Aufsteiger Hannover 96 bleibt auch in Wolfsburg ungeschlagen. Die
       > Hausherren verlieren mit Mario Gomez den Torgaranten der Vorrunde.
       
   IMG Bild: Abnutzungskampf: Wolfsburgs Josuha Guilavogui hechtet vor Hannovers Felix Klaus zum Ball
       
       Wolfsburg taz | Es ist nicht mal zu erahnen, ob der Weg des VfL Wolfsburg
       in der Fußball-Bundesliga den nächsten Monaten nach oben oder nach unten
       führen wird. Alle Gegner sagen ja rituell, der VW-Club sei „individuell
       sehr stark“ besetzt. Aber ob er in diesem Jahr tatsächlich wieder
       entsprechende stilistische, strategische und mentale Strukturen entwickelt,
       ist völlig offen. Das 1:1 gegen Aufsteiger Hannover 96 war eine jener nicht
       schön anzusehenden Abnutzungs-Partien, nach der alle Beteiligten erzählen,
       wie und warum sie auch gewinnen hätten können und dann am Ende das Remis
       als „verdient“ erklären.
       
       Sagen kann man, dass die Wolfsburger nach Daniel Didavis Freistoßtreffer
       zum 1:0 (52.) zunächst druckvollen Kombinationsfußball spielten und einen
       Matchball hatten, den derselbe Didavi freistehend aus kurzer Distanz
       vergab. Was der auch gar nicht leugnete. „Ich hätte das 2:0 machen müssen“,
       sagte er später. Der kurz vor Transferende vom FC Liverpool ausgeliehene
       belgische Nationalstürmer Divock Origi hatte sich mit Körper und Speed
       eindrucksvoll durchgesetzt und aufgelegt. Statt der Entscheidung erzielte
       Hannover durch Martin Harniks Hackentor noch den Ausgleich (75.), weil sich
       in Wolfsburgs Defensive ausnahmsweise mehrere individuelle Fehler
       aneinanderreihten.
       
       Grundlage dieses Spiels war, dass Hannover mit dem Defensivstil seines
       Trainers André Breitenreiter auf Fehler der Wolfsburger wartete, und die
       prioritär darauf bedacht waren, diese Fehler zu vermeiden. Wie die Wölfe
       überhaupt mit Trainer Andries Joncker stärkere Akzente auf eine sortierte
       Defensive legen, was mit der neuen Fünfer-Kette noch mal weitergetrieben
       wurde. Man habe schon vorher gewusst, sagte VfL-Sportchef Olaf Rebbe, dass
       das „fürs Auge nicht so schön“ würde. Aber das ist ja nicht die Ausnahme,
       sondern die Regel, es wird nur noch so getan, als wäre es anders.
       Wolfsburgs letzte vier Siege gelangen mit 1:0, die beiden Auftaktsiege von
       96 auch. Da steckt also System dahinter.
       
       Vor dem Auswärtsspiel in Stuttgart am kommenden Samstag sorgen sich die
       Wolfsburger um ihren Kapitän und Ankerspieler Mario Gomez. Wolfsburgs
       Torversicherung der letzten Runde wartet auf den ersten Saisontreffer und
       musste nach einer verpassten Großchance ausgewechselt werden (39.). Sein
       Trainer Joncker ist der Meinung, dass Gomez den Ball reingeschossen hätte,
       wenn er sich nicht verletzt hätte. Es war andersherum: Gomez beschädigte
       sein Sprunggelenk, weil er freistehend den Ball nicht traf.
       
       Bei Hannover 96 ist die Stimmung derweil rundum prächtig. Das Team ist
       ungeschlagen, seit im Frühjahr Trainer Breitenreiter sein Amt angetreten
       hat. Nun ist man mit sieben Punkten aus drei Spielen in die Saison
       gestartet, in der man als Aufsteiger nur den Klassenerhalt anpeilen muss
       und kann. Obwohl: „Wir sind kein klassischer Aufsteiger, sondern eine
       Mannschaft, die in die Erste Liga gehört, mit entsprechendem Etat“, sagte
       Torschütze Harnik. Er selbst hob das „Glück“ heraus, das man für einen
       Hackentreffer braucht, bei dem zwei Gegenspieler getunnelt werden, aber
       sein Präsident Martin Kind sagte, Harnik sei „in jeder Situation
       abgezockt“.
       
       Kind, 73, lehnte in blauer Freizeitkleidung an einer Balustrade der
       Mixed-Zone. Braun gebrannt und für seine Verhältnisse richtig entspannt und
       zufrieden aussehend erklärte er, was alles gut läuft bei Hannover 96. Der
       teure Abstieg soll sich auf keinen Fall so bald wiederholen. Bis Ende des
       Jahres erwartet der Hörgeräte-Unternehmer, vom DFB die Ausnahmegenehmigung
       um die „Hannover 96 Management GmbH“ als Mehrheitseigner zu übernehmen. In
       der 96er-Kurve protestierten Fans mit einem „Kind muss weg“-Plakat dagegen.
       „Die sollen die Mannschaft unterstützen, das ist ihr Job“, sagte Kind
       lapidar. „Wenn sie Politik machen wollen, sollen sie das außerhalb des
       Platzes machen.“
       
       Am Freitag erwartet man zu Hause den HSV, da wird man sehen, wie es
       weitergeht – sportlich und in dieser Kontroverse. Wie das im Fußball so
       ist: Jeder Sieg hilft Kind.
       
       10 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Unfried
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußball-Bundesliga
   DIR Hannover 96
   DIR VfL Wolfsburg
   DIR Martin Kind
   DIR Kolumne Helden der Bewegung
   DIR Fußball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Mario Gomez' Klage über aberkannte Tore: Schwäbische Schwere
       
       Das Spiel von Mario Gomez umweht eine gewisse Vergeblichkeit. Hat das mit
       seiner baden-württembergischen Herkunft zu tun?
       
   DIR Mario Gomez zurück in Stuttgart: Everybody's Darling
       
       Beim 1:0-Sieg gegen Hertha BSC genügen dem zurückgekehrten Stürmer wenige
       Sekunden, um zu zeigen, dass er gut nach Stuttgart passt.