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       # taz.de -- american pie: Kosmischer Abstieg
       
       Die North American Soccer League wollte die ganz große Nummer im US-Fußball
       werden. Nach nur sechs Jahren steht sie vor dem Aus
       
       Ein kleiner Mann sollte mit wallender Mähne und traumhaften Pässen ganz New
       York verzaubern. So hoffte der New York City FC, als er die italienische
       Fußballikone Andrea Pirlo 2015 von Juventus Turin in die Major League
       Soccer (MLS) holte. Großes sollte er leisten. 2017 gilt Pirlo eher als
       Hemmnis für den Klub denn als Bereicherung.
       
       „Es ist zu riskant, ihn spielen zu lassen“, sagt MLS-Reporter Matthew
       Doyle. „Defensiv sind seine Fehler zu kostspielig.“ New York gewann mit dem
       im Abwehrverhalten traditionell unangestrengten Pirlo in der aktuellen
       Saison nur fünf von 13 Partien. Bilanz in den Spielen, als Pirlo verletzt
       fehlte oder von Trainer Patrick Vieira nicht eingesetzt wurde: Elf Siege,
       drei Unentschieden und nur eine Niederlage. Pirlo sind seine mittlerweile
       38 Jahre dann doch anzumerken – zum Erstaunen von Fans und Experten in den
       Staaten.
       
       Ohnehin hat der US-Fußball mitunter eine zu optimistische
       Erwartungshaltung – was nun sogar zum Aus einer ganzen Spielklasse führen
       könnte. Denn der US-Fußballverband verweigerte unter der Woche der North
       American Soccer League (NASL) für die Saison 2018 den Status als 2.
       Spielklasse im Ligensystem des Landes, den sie sich aktuell noch mit der
       United Soccer League (USL) teilt. Die NASL erfüllte gleich mehrere
       Teilnahmebedingungen nicht, die wichtigste: die vorgeschriebene Zahl der
       Mannschaften. Statt der verlangten zwölf sind es aktuell nur deren acht.
       
       2016 verließen gleich vier Klubs die Liga: Die Fort Lauderdale Strikers
       wurden für die aktuelle Saison nicht mehr gemeldet, Minnesota United wurde
       in die MLS aufgenommen, und der Ottawa Fury FC ging mit den Tampa Bay
       Rowdies zur Konkurrenzliga USL. Schon in den Jahren zuvor hatte der Verband
       der NASL mit Ausnahmeregelungen helfen müssen, um den Spielbetrieb am
       Laufen zu halten. Dabei waren für 2018 bereits zusätzliche Mannschaften in
       San Diego und Orange County fest eingeplant. Die nun getroffene
       Entscheidung stellt alles infrage.
       
       „Wir denken nicht, dass der Verband im besten Sinne des Sports gehandelt
       hat“, gab die NASL in einer Pressemitteilung bekannt. „Diese Entscheidung
       gefährdet dazu tausende Jobs, die die NASL und ihre Klubs geschaffen
       haben.“
       
       2011 war die NASL mit allergrößten Ambitionen in den Spielbetieb gestartet:
       Konkurrenz zur etablierten MLS wollte man werden, dem Platzhirsch den
       Status als höchste Spielklasse im US-Fußball streitig machen. Vorbild war
       die gleichnamige NASL, die von 1968 bis 1984 operierte. Damals konnten
       Weltstars für das Projekt gewonnen werden: Pélé, Johan Cruyff. Franz
       Beckenbauer, Gerd Müller oder Johan Neeskens spielten für Klubs mit
       klangvollen Namen wie New York Cosmos, Fort Lauderdale Strikers oder Los
       Angeles Aztecs.
       
       Eine Reinkarnation der New York Cosmos ist auch heute das Aushängeschild
       der Liga. Als das Cosmos-Projekt ab 2010 Form annahm, war die Aufnahme in
       die MLS das Ziel. Die üppige „Beitrittsgebühr“ in Millionenhöhe und Streit
       über die Markenrechte ließen die damaligen Besitzer Abstand von einem
       MLS-Eintritt nehmen. In sieben Jahren hat der Klub bereits drei Mal den
       Eigentümer gewechselt, noch 2016 gab es Berichte über finanzielle
       Schieflagen und Verluste in Millionenhöhe.
       
       Weltstars spielen nun nicht in der NASL, sondern in der MLS, von Bastian
       Schweinsteiger bei den Chicago Fire über Pirlo und David Villa beim New
       York City FC bis zu Kaká beim Orlando City SC. Für die NASL könnte die
       Entscheidung des Verbands nun fatale Folgen haben. Fällt die Liga aus dem
       offiziellen Verbund, könnten weitere Klubs in die USL abwandern. Vor allem
       Klubs in Metropolen wie New York oder Miami, in denen der Markt besonders
       umkämpft ist, könnten dem Konkurrenzdruck zum Opfer fallen und ganz in der
       Versenkung verschwinden.
       
       In der NASL scheint weiter eine Mischung aus Trotz und Hoffnung zu
       bestehen: „Wir sind überzeugt, dass unsere Fans weiter unerschütterlich
       ihre Lieblingsklubs unterstützen werden, und die ganze Liga freut sich
       schon auf die restlichen Spiele 2017 und darüber hinaus“, heißt es in einer
       Erklärung. Wie schwankend die Liebe der Fans sein kann, das erlebt gerade
       Andrea Pirlo – aber der spielt ja in der MLS. DAVID DIGILI
       
       13 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Digili
       
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