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       # taz.de -- Fahrradmesse Eurobike: Öko-Bikes mit Tücken
       
       > Elektroräder sind im Trend. Experten sehen darin eine Alternative zum
       > Auto. Wie nachhaltig sind die Pedelecs?
       
   IMG Bild: Selbst trampeln war gestern. Der Trend geht zum Elektrofahrrad
       
       BERLIN taz | „Vor fünf Jahren war es noch peinlich, mit einem E-Bike
       gesehen zu werden“, sagt Claus Fleischer. „Jetzt ist es im sportlichen
       Bereich angekommen“, meint der Geschäftsführer der Bosch-Tochter
       ebike-Systems. Waren Elektrofahrräder früher nur etwas für Senioren, werden
       auf der Eurobike auch E-Mountainbikes oder Rennräder mit Elektroantrieb
       angeboten. Ein Milliardengeschäft, jetzt auch immer mehr für Jüngere: 2016
       waren bereits circa 15 Prozent aller Neuräder elektrifiziert, Tendenz
       steigend. Elektrisch betriebene Drahtesel sind der Renner auf der
       weltgrößten Fahrradmesse in Friedrichshafen, die am Samstag für den
       Publikumsverkehr öffnet. Das hat aber auch Tücken.
       
       „Elektrofahrräder sind in den letzten Jahren praxistauglicher geworden“,
       sagt Katrin Dziekan, Verkehrsexpertin des Umweltbundesamtes. „Die Akkus
       haben inzwischen eine größere Reichweite und halten länger.“ Die Hersteller
       zeigten allerdings kein großes Interesse daran, die sogenannten Pedelecs
       auch nachhaltig zu produzieren.
       
       Laut dem Freiburger Öko-Institut verschlechtert der Akku die Ökobilanz der
       Pedelecs am meisten. Nach spätestens fünf Jahren sei er meist nicht mehr zu
       gebrauchen und muss ersetzt werden. Das verführt viele Besitzer dazu, ihre
       Räder dann einfach wegzuschmeißen – nicht gut für die Ökobilanz. Ein
       weiteres Problem: „Am häufigsten werden für Elektrofahrräder
       Lithium-Ionen-Akkus verwendet“, sagt Tobias Schleicher vom Öko-Institut.
       Der Abbau der dafür nötigen Rohstoffe ist das Problem. Die Akkus enthalten
       Kobalt, das zu großen Teilen aus der Demokratischen Republik Kongo stammt.
       „Die Arbeitsbedingungen sind dramatisch, auch Kinder leiden darunter“, sagt
       Schleicher.
       
       Auch Lithium steckt in den Fahrradakkus. „Etwa ein Drittel der weltweiten
       Förderung findet in Chile statt, vor allem in den großen Salzseen der
       Atacama Wüse, und führt dort zu Wasserverschmutzung und
       Nutzungskonflikten“, so Schleicher. Dass die weltweite Recyclingrate von
       Lithium-Ionen-Akkus bei bestenfalls 20 Prozent liegt, hält Schleicher
       deshalb aus ökologischer und sozialer Sicht für bedenklich.
       
       Beim Recyceln der Akkus könnten Kobalt und Nickel wiedergewonnen werden.
       „Die Rohstoffpreise sind bisher allerdings noch nicht hoch genug, das
       technische Verfahren ist für die Recyclingunternehmen nicht lukrativ“, sagt
       Schleicher.
       
       Er betont jedoch: „Bei der Ökobilanz ist entscheidend, mit was man die
       Pedelecs vergleicht.“ Wer vom Fahrrad auf das E-Bike umsteigt,
       verschlechtert seine Umweltbilanz. Laut Studien sind Pedelecs aber immer
       noch deutlich nachhaltiger als alle anderen Verkehrsmittel mit Motor. Es
       stellt sich also auch die Frage, ob E-Bike-Käufer ihr neues Zweirad als
       Ersatz für ihr konventionelles Rad oder auch für andere Verkehrsmittel
       sehen.
       
       ## Das E-Bike ersetzt auch Autos
       
       „Viele nutzen das E-Bike statt des Autos“, sagt Peter Beckmann,
       Fahrradberater des ADFC. Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des
       Branchenverbands ZIV Zweirad, sieht in den Käufern der E-Bikes aber vor
       allem Umsteiger, die vorher „normale“ Räder gefahren sind. Belastbare
       Zahlen gebe es dazu nicht. Viele Untersuchungen legen nahe, dass das E-Bike
       für die Fahrer das Auto ersetzt. Laut einer Studie von 2015 nutzen
       Pedelec-Besitzer zu 41 Prozent ihr Gefährt anstatt eines Autos.
       
       Norwegische Forscher kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie stellten zufällig
       ausgewählten Testpersonen E-Bikes zur Verfügung. Die Anzahl ihrer täglichen
       Radfahrten stieg um 50 Prozent. Außerdem nutzten sie es für längere
       Strecken als das konventionelle Rad.
       
       Wenn immer mehr Menschen mit E-Fahrrädern fahren, stellt das allerdings die
       Infrastruktur vor neue Herausforderungen. So liegt es dem ADFC zufolge an
       der zunehmenden Zahl der Pedelecs, dass die Unfallzahlen mit Fahrrädern
       momentan anstiegen. „Schwerpunktmäßig nutzen immer noch ältere Menschen
       Pedelecs. Leichtere Unfälle können bei ihnen schon schwere Folgen haben“,
       sagt Floriane Lewer vom ADFC.
       
       Weil Radwege oft noch unterdimensioniert seien, fordert der ADFC deren
       Ausbau. Auf lange Sicht müsse sich laut Lewer auch die Verkehrskultur
       wandeln. „Vorbild sind die Niederlande“, sagt sie. „Dort nehmen Autofahrer
       mehr Rücksicht.“
       
       1 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Parrisius
   DIR Roland Lindenblatt
       
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