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       # taz.de -- taz-Serie Angezapft (2): Im Metzer Eck: Ärger über die Generation Merkel
       
       > Am Tresen, am Stammtisch und in der letzten Kneipenecke wird über die
       > Wahl am 24. September diskutiert. Die taz hört zu. Diesmal in Prenzlauer
       > Berg.
       
   IMG Bild: Hier wird nur Rotes getrunken
       
       Das Metzer Eck, Altberliner Kneipe: einer der letzten normalen Orte in
       Prenzlauer Berg, wo sich nicht nur eine Sorte Mensch trifft und die Wirtin,
       wenn sie auf einen Dackel tritt, sagt: „Räumse mal die Fußhupe weg.“ An
       einem Tisch sitzt eine Familie: Orje, 80, Regine, 80, und ihre Kinder
       Marian, 55, und Nico, 50.
       
       Nicht dass sie öfter ins Metzer Eck gehen, aber immerhin wohnen sie seit
       1969 hier, erzählen sie, als müssten sie das Recht auf ihren Kiez
       verteidigen. Die Kinder sind in den Platten an der Mendelssohnstraße groß
       geworden. Die Eltern leben noch dort, Tochter Marian ist zwei Ecken weiter
       gezogen. Sohn Nico flüchtete 1988 aus der DDR und lebt heute als
       Unternehmer in Aachen.
       
       „Wir wählen natürlich die Linken, weil wir eine Opposition brauchen“, kommt
       Orje zur Sache. „Eine Opposition, die sagt, wie es ist.“ Frau und „Kinder“
       geben ihm recht. Sie sind sich einig: Die Generation Merkel hat nicht nur
       vergessen, was Protest ist; sie weiß nicht mal mehr, was politische Kultur
       sein soll – wie man sich streitet, sich für etwas engagiert. Man
       kommuniziert auf Facebook, studiert in London, aber geht nicht auf die
       Straße für den europäischen Gedanken.
       
       „Ich war kürzlich in Petersburg“, erzählt Nesthäkchen Nico. „Da ist mir mal
       wieder klar geworden: So an einer Grenze stehen, das möchte ich nicht
       mehr.“ Orje war Diplomingenieur für Nachrichtenwesen, seine Frau Lehrerin
       für Biologie und Chemie. Da sie drei Kinder haben, hatten sie es nicht
       leicht in der DDR, sagen sie. „Wir hätten nie die SED gewählt.“
       
       Heute die Linken zu wählen, das ist für alle vier zwar ein aussichtsloses
       Unterfangen, aber trotzdem ein Muss, etwas, das zu ihrem Lebensgefühl
       gehört. „Allein schon wegen der Mieten hier“, sagt Marian zu ihrem Vater
       und legt ihm eine Hand auf die Schulter.
       
       Wie ihre Eltern hat auch Marian das Glück eines alten Mietvertrags. Aber
       ihre Eltern haben Ostrenten, sie ist medizinisch-technische Assistentin,
       „wir haben keine Reichtümer angehäuft“. Dass sich die Stadt in ihrem alten
       Kiez kaum einer mehr leisten kann, ist für sie eines der wichtigsten
       Themen.
       
       Hat Marian Angst, dass sie wegziehen muss? „Wir haben unser Auskommen“,
       sagt sie. Und was ist mit jenen, die es nicht haben? „Ich verstehe manchmal
       die Bockigkeit von all den Leuten, die wirklich abgehängt sind.“ Doch da
       wendet ihr Bruder ein: „Trotzdem wählen nicht alle, die abgehängt sind, die
       AfD. Auch darüber muss man mal nachdenken.“ Dann steht er auf und bezahlt
       die Rechnung, das Bier der Journalistin inklusive.
       
       15 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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