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       # taz.de -- Experiment zum Glauben an Fake News: Kann dieser Frosch zu Tode kochen?
       
       > Forscher haben untersucht, wieso Menschen Fake News glauben. Dabei kam
       > raus: Auch linke AkademikerInnen sind empfänglich für Bullshit.
       
   IMG Bild: Verliert ein Frosch seinen Fluchtinstinkt, wenn es ganz langsam warm wird?
       
       Kleines Quiz zu Beginn: Welche dieser Behauptungen sind wahr?
       Mehrfachnennungen möglich:
       
       A. Renate Künast hat im Dezember 2016 über den Flüchtling gesagt, der eine
       junge Frau in Freiburg vergewaltigt und umgebracht haben soll: „Der
       traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt
       trotzdem helfen.“ 
       
       ■ WAHR
       
       ■ FALSCH
       
       B. Auf dem Portal „VoteBuddy“ können MigrantInnen ohne deutsche
       Staatsbürgerschaft die Wahlzettel von deutschen NichtwählerInnen
       übernehmen. 
       
       ■ WAHR
       
       ■ FALSCH
       
       C. Sitzt ein Frosch in einem Topf mit Wasser, das sehr langsam erhitzt
       wird, dann versagt sein Fluchtreflex und er kocht allmählich zu Tode. 
       
       ■ WAHR
       
       ■ FALSCH
       
       Und, wussten Sie’s? Die Lösung ist: Keine der Behauptungen ist wahr. Aber
       bekannt vorkommen dürften sie Ihnen schon. Und genau da liegt das Problem
       mit Falschmeldungen, folgt man den Ergebnissen eines Experiments von zwei
       Forschern der Yale University.
       
       [1][Der Psychologe Gordon Pennycook und der Ökonom David G. Rand haben
       untersucht,] warum Menschen auf Falschnachrichten hereinfallen. Dabei
       fanden sie heraus, dass eine gängige Vermutung womöglich falsch ist:
       nämlich dass Menschen „glauben, was sie glauben wollen“ – man also
       Nachrichten eher unkritisch übernimmt, wenn sie das eigene Weltbild
       bestätigen. Viel bedeutsamer ist jedoch, ob wir die Kerninformation schon
       mal irgendwo gehört zu haben glauben. Und dieser Effekt funktioniert auch
       bei eher kritisch-analytisch denkenden Menschen.
       
       Für ihr Experiment ließen die Wissenschaftler 400 Personen einen
       Online-Fragebogen mit echten und falschen Nachrichten ausfüllen und
       angeben, welche sie für wahr halten. Unter den Nachrichten waren solche,
       die eher positiv für die Demokraten und solche, die zugunsten der
       Republikaner ausfielen. Die TeilnehmerInnen mussten im Anschluss angeben,
       ob sie eher Hillary Clinton oder Donald Trump unterstützen.
       
       Das Ergebnis: Es gab keinen Zusammenhang zwischen politischer Überzeugung
       und dem Hang dazu, Falschnachrichten zu glauben. Die Einschätzung der
       TeilnehmerInnen wurde nicht schlechter, wenn es ums eigene politische Lager
       ging. Im Gegenteil: Die Clinton-AnhängerInnen waren sogar besser im
       Unterscheiden, wenn die Nachrichten eigentlich gut für ihre Partei waren.
       Ist es also eine Frage von links oder rechts?
       
       ## Phänomen „Blödsinn-Empfänglichkeit“
       
       Nicht ganz. „Zwar denken laut unseren Daten Clinton-AnhängerInnen
       durchschnittlich eher kritisch-analytisch als Trump-AnhängerInnen“, so
       Studienautor David Rand. „Allerdings scheint das ein neuer Effekt zu sein.
       Bei älteren, ähnlichen Tests zwischen Demokraten und Republikanern gab es
       eine vergleichbare Verteilung nicht.“
       
       Was eher darauf hindeutet, dass Menschen Trump unterstützen, weil sie Fake
       News glauben – und nicht umgekehrt. Womit wir aber kein Stück näher an der
       Frage sind, warum die einen Menschen eher Blödsinn glauben.
       
       Glücklicherweise erforschen Pennycook und Rand auch ein Phänomen, das sie
       treffend „Bullshit Receptivity“ genannt haben, also die Empfänglichkeit
       für, na ja, Blödsinn, Bullshit eben.
       
       „Sowohl die allgemeine Bullshit-Empfänglichkeit als auch die Fähigkeit,
       Falschnachrichten von echten Meldungen zu unterscheiden, hängen damit
       zusammen, wie sehr Menschen bereit sind, kritisch-analytisch zu denken
       anstatt intuitiv“, sagt Rand. Aber woher kommt diese Neigung, genau
       nachzudenken? Ist es letztlich eine Bildungs-, womöglich also eine
       Klassenfrage? „Bildung ist relevant, allerdings ist, was wir ‚Analytisches
       Denken‘ nennen, nicht gleichzusetzen mit Bildung. Selbst unter
       TeilnehmerInnen mit ähnlichem Bildungsniveau waren die Fähigkeiten zum
       analytischen Denken unterschiedlich stark ausgeprägt“, sagt Rand. Neben
       sozialem Hintergrund und Bildungsniveau spielten auch andere Faktoren eine
       Rolle – zum Beispiel, ob man an einen Gott glaubt.
       
       ## Der Wiederholungseffekt
       
       Was das Experiment also vor allem zeigt, ist, dass es beim Thema
       Falschnachrichten keinen Grund für bestimmte Bevölkerungsgruppen gibt, sich
       zurückzulehnen. Weder können Linke das Problem nach rechts verweisen, noch
       können Menschen mit Uniabschluss sich sicher wähnen.
       
       Was vor allem dafür sorgt, dass Menschen Falschnachrichten für wahr halten,
       so Rand, sei ein Wiederholungseffekt. In einem zweiten Experiment zeigten
       die Forscher ihren ProbandInnen teilweise zweimal dieselbe Nachricht – was
       dazu führte, dass die Testpersonen die Nachricht beim zweiten Mal für
       wahrscheinlicher hielten. Und zwar auch dann, wenn sie sich nicht daran
       erinnern konnten, die Nachricht schon einmal gesehen zu haben.
       
       Pikanterweise war der Effekt auch dann noch festzustellen – und hier wird
       es relevant für Facebook – wenn die Testpersonen beim ersten Mal eine
       Warnung sahen: „Von unabhängigen Factcheckern angefochten“.
       
       „Allgemein kann man sagen: Geschichten, die Menschen vertraut vorkommen,
       halten sie eher für wahr“, sagt Rand. „Dieser Effekt ist unabhängig davon,
       ob man eher kritisch denkt oder nicht.“
       
       ## Quelle: „Hab ich auf Facebook gelesen“
       
       Womit wir zurück zu unserem Quiz kommen: Die Aussagen am Anfang sind
       allesamt falsch. Das Künast-Zitat war erfunden und von einigen rechten
       Seiten verbreitet worden. [2][Künast erstattete deswegen sogar Anzeige.]
       „VoteBuddy“ war [3][eine satirische Aktion des „Peng!“-Kollektivs] – und
       [4][der Frosch, na ja, der hüpft so was von aus dem Topf.] Was aber wenige
       davon abhält, diese Legende immer wieder als politische Metapher zu
       verwenden.
       
       Die Frage ist also: Was passiert, wenn diese Behauptungen in einiger Zeit
       wieder die Runde machen – vielleicht in abgewandelter Form. Beim nächsten
       Mal wird dann Claudia Roth in den Mund gelegt, dass sie mit einem Mörder
       sympathisiert habe. Oder dass reiche Ausländer Wahlzettel kaufen.
       Pennycooks und Rands Experimente legen nahe, dass wir diese Nachrichten für
       plausibel halten, weil wir etwas Ähnliches schon einmal gelesen haben.
       
       Gleichzeitig wird es immer üblicher (wohlgemerkt auch unter studierten
       Leuten), als Quelle für eine Behauptung „Hab ich auf Facebook gelesen“ zu
       sagen. [5][Und laut einer neuen Untersuchung der Uni Dresden ist auch bei
       Lehramtsstudis die Nachrichtenkompetenz mangelhaft.]
       
       Was sagt uns das? Falschnachrichten, das ist kein Problem der anderen –
       sondern ein Sparring zwischen uns und unserem Unterbewussten.
       
       21 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3023545
   DIR [2] /!5364611/
   DIR [3] /!5446183/
   DIR [4] http://www.zeit.de/2002/45/200245_stimmts_gekochte.xml
   DIR [5] http://uebermedien.de/19777/nachrichtenkompetenz-in-schulen-mangelhaft/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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