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       # taz.de -- Massaker an Flüchtlingen aus Burundi: Wer nicht spurt, wird erschossen
       
       > Burundische Milizionäre verstärkten die Soldaten von Kongos
       > Regierungsarmee offenbar bei dem Massaker. UN-Blauhelme in der Nähe
       > blieben untätig.
       
   IMG Bild: Bergung der Toten in Kamanyola, Samstag
       
       Berlin taz | Fotos zeigen eine breite Straße voller Leichen, die Toten
       ordentlich aufgereiht, mit bunten Tüchern bedeckt. Der Leiter der
       UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monusco), dessen Soldaten
       schon viel Horror miterlebt haben, äußert sich in einer Erklärung „tief
       schockiert“. Am Freitag hat sich in der ostkongolesischen Kleinstadt
       Kamanyola an der Grenze zu Burundi ein Massaker an burundischen
       Flüchtlingen zugetragen.
       
       36 Tote, 117 bis 124 Verletzte lautet die Bilanz am Sonntagmittag. Die
       Täter waren zumindest zum Teil kongolesische Soldaten.
       
       Auslöser war die Verhaftung von vier Flüchtlingen in der Nacht zum
       Donnerstag. Von offizieller kongolesischer Seite hieß es, man habe sie mit
       Macheten angetroffen und in die Büros des Geheimdienstes gebracht, um ihre
       Ausweisung einzuleiten. Am Freitag demonstrierten andere Flüchtlinge für
       ihre Freilassung. Soldaten eröffneten das Feuer.
       
       Kongos Regierungssprecher sagt, die Demonstranten hätten Waffen in den
       Händen gehalten und einen Offizier gelyncht. Das Innenministerium der
       Provinz Südkivu erklärt, die Soldaten hätten in die Luft geschossen, seien
       aber von den Demonstranten durch Steinwürfe „überwältigt“ worden und hätten
       aus Notwehr das Feuer eröffnet.
       
       Flüchtlinge selbst sagten hinterher, sie trugen keine Waffen, sondern
       Bibeln. „Ich sah Menschen zu Boden fallen, Männer und Frauen und Kinder“,
       berichtete ein Augenzeuge gegenüber Journalisten.
       
       Viele burundische Quellen behaupten, dass unter den Killern auch Angehörige
       der Jugendmiliz „Imbonerakure“ der Regierungspartei Burundis waren: Sie
       hätten untereinander die burundische Sprache Kirundi gesprochen, so das
       unabhängige Journalistennetzwerk „SOS Medias Burundi“. Burundis verbotene
       Oppositionspartei MSD (Bewegung für Solidarität und Demokratie) spricht von
       „Komplizenschaft zwischen Sicherheitsagenten des Kongo mit Burundis
       Geheimdienst“.
       
       Kamanyola ist ein wichtiger Grenzhandelsort im Dreiländereck
       Kongo-Ruanda-Burundi, das Umland gilt seit Jahrzehnten als Rückzugsraum für
       bewaffnete Gruppen.
       
       Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben in Kamanyola 2005
       burundische Flüchtlinge, von denen die meisten im Jahr 2015 ankamen, als
       die aktuelle Krise in Burundi ihren Höhepunkt erreichte. Das UNHCR zählt
       rund 407.000 burundische Flüchtlinge im Ausland, davon knapp 44.000 im
       Kongo.
       
       Eine lokale kongolesische Organisation berichtet der taz, seit Monaten
       würde „eine politische Propaganda“ in Südkivu die Flüchtlinge „mit
       burundischen bewaffneten Gruppen gleichsetzen“.
       
       Den Angaben zufolge gehören viele Flüchtlinge in Kamanyola einer
       katholischen Sekte an, die mit Marienerscheinungen und düsteren
       Prophezeiungen gegen das burundische Regime von sich reden macht. Die
       Anhänger der „Prophetin“ Eusébie Ngendakumana, genannt Zebiya, werden
       schon seit 2013 in Burundi strafrechtlich wegen Aufwiegelung verfolgt.
       
       2800 von ihnen sollen in den Kongo geflohen sein, die meisten nach
       Kamanyola. Kongos Behörden suchen demnach die Sektenführer.
       
       Das erklärt aber nicht das Massaker. Als die Soldaten schossen, rannten
       viele Flüchtlinge zur nahen UN-Basis und suchten Schutz, denn sie würden
       „gejagt wie die Tiere“, erklärte einer von ihnen.
       
       Die UN-Blauhelme aus Pakistan schritten nicht ein, obwohl ihre Basis nur
       wenige hundert Meter entfernt liegt. Erst am Samstag kamen sie und
       sammelten die Toten.
       
       17 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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