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       # taz.de -- Parteivorsitz der Grünen: Sehnsucht nach Robert
       
       > Basismitglieder wollen Robert Habeck mit einer Satzungsänderung auf den
       > Parteichefposten locken. Kann er sich dem Ruf verweigern?​
       
   IMG Bild: Der Schleswig-Holsteiner Habeck gilt bei vielen Grünen als Idealbesetzung für den Chefposten
       
       Berlin taz | Sie lieben ihren Robert, keine Frage. Sieben Landesminister
       durften am Sonntag auf der Bühne beim Grünen-Länderrat erzählen, wie toll
       ihre Politik ist. Radwege, Windräder, Hühner, deren Schnäbel normal wachsen
       dürfen. Alle Grünen-Hits waren dabei, alle Minister gaben sich Mühe,
       leidenschaftlich zu sein – aber der Applaus blieb bei den meisten höflich.
       
       Dann ist Robert Habeck dran. Habeck, 48, Energiewendeminister in
       Schleswig-Holstein, Schlabbershirt, ausgebeulte Jeans, quatscht sich mit
       zwei Sätzen ins Herz der Delegierten. Wir könnten so viel mehr machen, ruft
       er. Ab in die Zukunft, „denn Gestern war schon!“ Die Leute im Rund eines
       ehemaligen Gasometers in Berlin jubeln. Das war wieder mal so ein
       Habeck-Moment. Mit ihm sind die Grünen meist ganz bei sich.
       
       Der Schleswig-Holsteiner Habeck ist so etwas wie die unerfüllte Sehnsucht
       der Ökopartei. Ein blendender Redner, der Politik philosophisch auflädt.
       Ein lässiger Typ mit Dreitagebart, der sich unabhängig gibt, vor seiner
       Politikkarriere als Schriftsteller arbeitete, mit seiner Frau vier Söhne
       großzieht. Habeck wagte viel beim Kampf um die Spitzenkandidatur – und
       landete mit so hauchdünnem Abstand hinter dem Routinier Cem Özdemir, dass
       auch dem letzten Grünen klar wurde: Mit Habeck muss man in Zukunft rechnen.
       
       Basismitglieder wollen das Politiktalent nun in den Parteivorsitz locken.
       Ein Antrag aus dem Kreisverband Landau für den Parteitag am 20. und 21.
       Oktober fordert, die Satzung zu ändern. In Zukunft sollen auch Mitglieder
       einer Landesregierung Mitglied im Bundesvorstand sein dürfen – bisher ist
       das ausgeschlossen. Stimmte der Parteitag zu, wäre das eine Lex Habeck. Der
       Landesminister dürfte sein Amt in Kiel behalten und gleichzeitig den
       Chefposten in Berlin übernehmen.
       
       ## Moderne Erzählung gesucht
       
       Die Suche nach einem neuen Vorsitzenden hat bei den Grünen hinter den
       Kulissen längst begonnen. Cem Özdemir, seit neun Jahren im Amt, hat
       angekündigt, nicht wieder zu kandidieren. Habeck gilt bei vielen Grünen als
       Idealbesetzung. „Es ist kein Geheimnis, dass viele sich Habeck als
       Vorsitzenden wünschen“, sagt ein Bundestagsabgeordneter. „Der Ruf nach
       Robert wird laut werden“, heißt es in Parteikreisen. „Sehr laut.“
       
       Die Argumente der Habeck-Fans klingen so: Jener sei in der Lage, Politik
       einen intellektuellen Überbau zu geben, eine moderne Erzählung der Grünen
       zu entwerfen und zu verkörpern. Jener habe bei der Urwahl bewiesen, dass er
       in der Basis einen starken Rückhalt organisieren könne. Habeck, der zum
       Realoflügel gehört, sich aber nie auf Flügelpositionen verengen ließ, wird
       außerdem zugetraut, integrierend zu wirken.
       
       All das ist nicht wenig, zumal ein schwaches Wahlergebnis, das sich in
       manchen Umfragen andeutet, die Ökopartei in eine Sinnkrise stürzen könnte.
       Habeck wäre der Mann für den Wiederaufbau.
       
       ## „Ich will den Job nicht, Cem“
       
       Und Habeck? Hält sich bedeckt, natürlich. „Wir sind jetzt auf den letzten
       Metern des Bundestagswahlkampfs“, sagte er am Montag der taz. „Ich
       konzentriere mich zu 100 Prozent nur darauf, und das sollten alle tun.“
       Mehrfach hat Habeck betont, nicht auf Jobsuche zu sein. Als ihn Özdemir bei
       einem Urwahlforum im vergangenen Jahr aufforderte, sich doch mal
       vorzustellen, er sei im November Bundesvorsitzender, antwortete Habeck
       knapp: „Ich will den Job nicht, Cem.“
       
       Habeck hat gute Gründe, Kiel Berlin vorzuziehen. Ein Minister gebietet über
       einen Apparat mit hunderten Mitarbeitern, er gestaltet Politik. Ein
       Parteichef tingelt durch Kreisverbände, macht Kärrnerarbeit und steht im
       Schatten der Fraktionsvorsitzenden. Habeck verwaltet in Schleswig-Holstein
       ein Großressort. Er ist für die Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und
       Natur zuständig, seit Neuestem auch für die Digitalisierung. Außerdem ist
       Habeck eine zentrale Figur in der Kieler Jamaika-Koalition, die seit Juni
       regiert. Ein Wechsel nach Berlin ließe diese Aufgaben unvollendet.
       
       Allerdings soll der Basisantrag ja beides ermöglichen, das Amt in Kiel und
       den Vorsitz. Was passierte also, wenn die Grünen bei der Wahl scheitern –
       und ein verzweifelter Parteitag mit Zweidrittelmehrheit die Lex Habeck
       beschlösse?
       
       In dem Fall fiele es Habeck schwer, sich dem Hilferuf zu verweigern. Eine
       Satzungsänderung für eine Person wäre eine Revolution, die dem Chef eine
       nie geahnte Machtfülle bescherte. Schließlich war die Trennung von Amt und
       Mandat für die Grünen früher sakrosankt. Habeck käme in eine Situation, in
       der er springen müsste, um die eigene Partei nicht zu demütigen.
       
       19 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
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