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       # taz.de -- Illegale Geschäfte mit Konzertkarten: Keine Macht dem Ticket-Schwarzmarkt
       
       > Der Schwarzmarkt für Tickets ist für die Musikbranche ein großes Problem.
       > Was dagegen zu tun ist, diskutieren Fachleute beim Reeperbahnfestival.
       
   IMG Bild: Wenn die „Toten Hosen“ nicht gerade auf einer Demo spielen, sind Karten für ihre Konterte auf dem Schwarzmarkt ziemlich teuer
       
       Der Schwarzmarkt – oder, je nach Sichtweise, Zweitmarkt – für
       Konzerttickets boomt. Schwarzmarkthändler benutzen Fake-Adressen, Bots und
       Strohmänner bei Veranstaltern, um an viele begehrte Tickets zu kommen. So
       umgehen sie festgelegte Kontingente. Anschließend bieten sie sie auf
       Plattformen wie viagogo, eBay oder stubhub oft um ein Vielfaches verteuert
       an. Ein Händler, der sich Wim Bledon nennt, rühmt sich beim Radiosender
       N-Joy, er würde mit dem Geschäft im Monat eine fünfstellige Summe
       verdienen.
       
       Da sich in der Musikindustrie zunehmend und überwiegend mit Liveauftritten
       Geld verdienen lässt, ist den Künstlern und Verbänden der
       Schwarzmarkthandel ein Dorn im Auge. Unter anderem darüber wird auf der
       [1][Reeperbahnfestival-Konferenz] vom 20. bis 23. 9 diskutiert. Dort
       treffen sich rund 4.400 Fachleute aus der Musik- und Digitalwirtschaft aus
       über vierzig Nationen. Über das Ticket-Problem wird zum Beispiel bei dem
       Panel „Das Darknet für Tickets – Die Industrialisierung des Schwarzmarkts“
       gesprochen.
       
       Einer der „Speaker“ ist Kiki Ressler von Kikis Kleinem Tourneeservice aus
       Berlin: „Wenn man Bands wie zum Beispiel die Toten Hosen vertritt, die
       sozial verträgliche Eintrittspreise machen will, und die Tickets kurz nach
       dem Verkauf für das Zwei- bis Fünffache online angeboten sieht, dann ist
       das extrem frustrierend“, sagt er.
       
       Außerdem würden die kleinen Clubs und Bands unter der Dynamik leiden. Für
       die Top-Acts gäben die Leute große Summen aus, die seien immer ausverkauft.
       Aber zu den Kleinen gehe man dann unter Umständen nicht mehr, weil man das
       Geld für die Großen ausgegeben hat.
       
       Johannes Ulbricht vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (BDV),
       einem der zwei großen Verbände in der Musikbranche in Deutschland, saß in
       den vergangenen Jahren ebenfalls bei der Reeperbahnfestival-Konferenz auf
       dem Podium. Er nennt weitere Probleme des Ticket-Schwarzmarkts: Zum einen
       würden mit den Schwarzhändlern Leute Geld abschöpfen, die überhaupt nichts
       für die Produktion der Kunst getan hätten. Zum anderen würden auf den
       Zweitplattformen wie viagogo oft gefälschte Tickets verkauft.
       
       Viagogo sehe auf den ersten Blick wie ein seriöser Tickethändler aus.
       Kunden ließen sich davon täuschen, meint Ulbricht. „Es muss sich einfach
       rumsprechen, dass viagogo totale Abzocke ist“, sagt er. „Wenn die Leute
       wissen, dass das kein offizieller Ticketmarkt ist, dann ist das okay. Aber
       sie müssen wissen, welches Risiko sie eingehen.“
       
       Verschiedene Maßnahmen gegen den Schwarzmarkthandel scheiterten bisher
       überwiegend. Kontingente werden wie oben beschrieben umgangen. Tickets, die
       gesperrt wurden, weil man sie online mit entsprechender Platzangabe
       entdeckt hat, trafen die Falschen, da die Platzangabe vor dem Weiterverkauf
       mit Photoshop verändert wurde. Als viagogo 2012 seinen Sitz noch in
       Amsterdam hatte, hätte Kiki Ressler einmal mit einer einstweiligen
       Verfügung, Tourtickets auf der Plattform anzubieten, Erfolg gehabt. Doch
       jetzt habe viagogo seinen Sitz in Zürich. „Da kommt die Klage erst durch,
       wenn die Tournee schon vorbei ist“, sagt Ressler.
       
       ## Der Markt regelt es nicht
       
       Ressler ist von der Politik enttäuscht. „Die sagt: ‚Der Markt regelt das
       alles von selbst.‘ Das ist so ein Quatsch!“, sagt er. Dann würden die
       Tickets halt schnell nur noch zwei bis dreihundert Euro kosten. Ob man das
       wirklich wolle? Außerdem würden die Verbände, unter anderem Ulbrichts BDV,
       versagen. Sie agierten nur halbherzig. Er fordert, dass der Weiterverkauf
       von Tickets strafbar gemacht wird. „Frankreich ist da ein super Beispiel“,
       sagt er. Ein Ticket sei dort wie ein Wertpapier. Auf den nicht
       autorisierten Weiterverkauf stehen Strafen bis zu 15.000 Euro.
       
       Ulbricht sieht das ganz anders. Er glaubt nicht, dass das Strafrecht eine
       Lösung bringen kann. „Das ist häufig ein Placebo: Knall Strafbarkeit drauf
       und die Sache ist gelöst. Davon bin ich kein Freund“, sagt er. Er verweist
       auf die französische Seite von viagogo, auf der immer noch Tickets
       angeboten werden. „Es gibt viele Dinge, die verboten sind, aber nicht
       funktionieren, zum Beispiel Online-Glücksspielkasinos“, sagt er.
       Gleichzeitig gesteht er ein, dass es für sie als Verband unangenehm sei,
       dass sie bisher keine befriedigende Lösung anbieten können.
       
       Ulbricht setzt dennoch im Gegensatz zu Ressler ganz auf ausgeweitete
       Ticket-Personalisierung. Das habe zuletzt bei Ed Sheeran und Metallica
       hervorragend funktioniert. Andere müssten da jetzt nachziehen. Klar, wenn
       Tausende Leute in kurzer Zeit in eine Halle gelassen werden müssen, sei es
       schwer, jeden mit dem Personalausweis zu kontrollieren. Das gehe manchmal
       noch schief. Aber „allein das Risiko, dass ich nicht reinkomme, hält mich
       davon ab, viel Geld auf dem Zweitmarkt für ein Ticket zu bezahlen“, sagt
       er. Und gerade bei kleineren Veranstaltung seien die Kontrollen einfacher.
       
       Doch manche Bands und deren angestammten Fans wollen keine sogenannte
       „harte Personalisierung“, wo schon beim Kauf der Name des Konzertgängers
       angegeben werden muss. Das erschwert zum Beispiel das Verschenken von
       Tickets. Darum gibt es auf der Ticketseite der Toten Hosen zum Beispiel nur
       eine „softe“ Personalisierung. Vor dem Ticketkauf muss man ein Feld
       anklicken, mit dem man beteuert, das Ticket nicht überteuert
       weiterzuverkaufen. Erst damit seien Unterlassungsklagen möglich, sagt
       Ressler.
       
       Welche Vorschläge werden zu einer Entspannung auf dem überhitzten
       Ticketmarkt führen? Vielleicht liefert die Reeperbahnfestival-Konferenz ja
       neue Erkenntnisse.
       
       19 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.reeperbahnfestival.com/de/konferenz/about
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Trommer
       
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