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       # taz.de -- Kongress der deutschen Zeitungsverleger: Schuld sind die anderen
       
       > Beim Jahreskongress schimpfen Verleger auf Facebook, Google und die
       > Öffentlich-Rechtlichen. Die eigenen Fehler kommen nicht zur Sprache.
       
   IMG Bild: BDZV-Präsident Mathias Döpfner
       
       Stuttgart taz | Die deutschen Zeitungsverleger beschäftigen sich auf ihrem
       Kongress am 18. und 19. September in Stuttgart lieber mit anderen als mit
       den eigenen Branchenproblemen. Es macht einen doch kurz sprachlos. Mathias
       Döpfner, Präsident des Bundesverbandes der Zeitungsverleger, hat ein
       gesellschaftliches Horrorszenario entworfen, in dem künstliche Intelligenz
       und der fortschreitende Erfolg autoritärer Regime die freie Gesellschaft
       bedrohen. Seine Lösung für diese Bedrohung: Der kritische „Journalismus als
       Scheinwerfer der Aufklärung“. Er appelliert an den Mut seiner
       Verlegerkollegen: „Geben Sie durch Ihren Mut zur Freiheit der kritischen
       Recherche ein Beispiel, das Ihre Redaktionen ermutigt.“
       
       Als wollte die Kongressregie, Döpfners beeindruckenden Appel
       konterkarieren, folgt ihm Bundestrainer Joachim Löw, der sich vom eigenen
       Pressesprecher Jens Grittner freundlich über Fußball und Strategie befragen
       lässt. Auf dem Flur kann man hören, Löws Bedingung für den Auftritt sei
       gewesen, sich nicht von Journalisten befragen zu lassen.
       
       Am zweiten Kongresstag ernannte das Präsidium Katrin Tischer vom Berliner
       Cornelsen Verlag zur neuen Geschäftsführerin. Doch ansonsten beschäftigt
       sich der Jahreskongress der Tageszeitungsverleger nur mit den anderen.
       Springer-Chef Döpfner war für die Bedrohungen von außen zuständig: den
       großen Internetmultis wie Google und Facebook, die die Inhalte der Verlage
       nutzen, um ein attraktives Werbeumfeld zu haben, aber die Verlage nicht
       daran beteiligen wollen. Und die kleinen Amtsblätter und sogar Portale von
       regionalen Energieanbietern, die mit staatlichem Geld den regionalen
       Verlagen Konkurrenz auf ihrem früheren Monopolmarkt machen.
       
       Besonderen Groll aber haben die Zeitungsverleger auf die
       öffentlich-rechtlichen Sender, die den Presseangeboten im Netz aus Sicht
       der Verleger die Chance für Bezahlangebote nehmen. Das Thema war den
       Verlegern so wichtig, dass sie sich einen halben Tag mit ARD, ZDF und dem
       Hörfunk beschäftigten. Döpfner sprach gar wie die AfD von „Staatsfunk“, der
       irgendwann alle anderen aus dem Internet verdrängt habe, was ganz „nach dem
       Geschmack von Nordkorea“ sei.
       
       ## Nur zwei Öffentlich-Rechtliche in den Top-40
       
       Aber selbst eine Studie von McKinsey konnte die Befürchtung, von den
       Internetangeboten der Öffentlich-Rechtlichen abgehängt zu werden, nicht
       stützen. Denn unter den Top-40-Angeboten im Netz sind in Deutschland 14
       Webseiten von Verlagen, aber mit tagesschau.de und sportschau.de nur zwei
       Öffentlich-Rechtliche.
       
       In der anschließenden Podiumsdiskussion mochte nur noch der
       stellvertretende Feuilleton-Chef der FAZ, Michael Hahnfeld, nicht davon
       abrücken, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen entscheidenden Betrag zur
       Krise der Presseverlage leisten.
       
       Doch die Botschaft der Verlage ist längst in der Politik angekommen.
       Passend zum Verlegerkongress gibt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger
       [1][in der Stuttgarter Zeitung ein Interview], in dem er ein weiteres Mal
       einem europäischen Leistungsschutzrecht für Verleger das Wort redet und
       ebenfalls davon spricht, dass man den Internetangeboten im Netz „Grenzen
       aufzeigt“.
       
       Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann
       hatte in seiner Rede am Morgen Unterstützung für die Verlage versprochen.
       Martin Schulz hob am Dienstag bei der Konferenz sein Engagement an der
       Seite der Presse hervor. Nur Horst Seehofer war bereit, auf den Auftritt
       vor den einflussreichen Verlegern zu verzichten. Er habe sich wegen einer
       Erkältung nach einem Oktoberfestbesuch entschuldigen lassen, erklärte
       Mathias Döpfner spitz.
       
       19 Sep 2017
       
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   DIR [1] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-guenther-oettinger-recht-am-geistigen-eigentum-staerken.35c9617d-f5d6-415b-a32c-97efd77d5b9e.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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