# taz.de -- Abschiedsdebatte im Bundestag: Schon im Wahlkampfmodus
> In seiner letzten Sitzung debattiert der alte Bundestag alles – von Trump
> bis zum Diesel. Manche nutzten die Gelegenheit zum Angriff
IMG Bild: Norbert Lammert verabschiedet sich aus dem Bundestag
Berlin taz | Die letzte Bundestagsdebatte in dieser Legislaturperiode
endete versöhnlich. Mehr als dreieinhalb Stunden hatten sich die
Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer von CDU, CSU, SPD, Grünen und Linkspartei
einen heftigen Schlagabtausch geliefert, da meldete sich zum Abschluss am
Freitagmittag Gregor Gysi mit einer „Kurzintervention“ zu Wort.
Wegen ihres besonderen Verhältnisses fände er „ein paar persönliche Worte
zum Abschied vielleicht doch angebracht“, sagte der ehemalige
Linksfraktionsvorsitzende in Richtung des scheidenden Bundestagspräsidenten
Norbert Lammert.
Mit großer Hochachtung sprach Gysi von dem 68-jährigen Christdemokraten,
der jetzt nach 37 Jahren den Bundestag verlassen wird. „Sie waren nie
parteiisch und nie der verlängerte Arm irgendeiner Koalition“, lobte ihn
Gysi. Als Parlamentspräsident habe sich Lammert stets auch für die Rechte
der parlamentarischen Minderheit im Bundestag eingesetzt.
„Wenn eine Mehrheit meint, die Kontrolle über sich reduzieren zu dürfen,
hat sie die Demokratie nicht verstanden“, sagte Gysi. „Sie haben sie
verstanden.“ Sichtlich gerührt verfolgte Lammert die Danksagung. Ein Hauch
von Wehmut wehte durch den Berliner Reichstag.
## Lammert sagt Tschüss
Zu Beginn der Sitzung am Freitagmorgen hatte Lammert eine kleine
Abschiedsrede gehalten. Im Bundestag schlage zwar das „Herz der
Demokratie“, allerdings sei er „nicht immer so gut, wie er sein könnte oder
auch sein sollte“, sagte Lammert. So sei der Eifer bei der Kontrolle der
Regierung mitunter zu wenig ausgeprägt.
Außerdem kritisierte Lammert, der seit 2005 dem Bundestag vorsteht, einen
zu fahrlässige Behandlung des Grundgesetzes. „Wir haben uns einen allzu
großzügigen Umgang mit unserer Verfassung angewöhnt und sie häufiger und
immer umfangreicher – regelmäßig auch komplizierter – verändert“, sagte er.
Als erstes Beispiel nannte er die Asylgesetzgebung in 1990er Jahren.
Spitz bemerkte Lammert, es gebe zwar im Parlament „zweifellos immer wieder
herausragende Debatten, aber bei selbstkritischer Betrachtung sollten wir
einräumen, dass immer noch zu häufig geredet und zu wenig debattiert wird“.
An den künftigen Bundestag appellierte er, den „Konsens der Demokraten
gegen Fanatiker und Fundamentalisten“ zu suchen.
Zwischen der letzten Rede Norbert Lammerts und Gregor Gysis Dankesworten
machte der Wahlkampf für ein paar Stunden Station im Bundestag. Bis auf den
derzeit noch nicht dem Parlament angehörigen Martin Schulz schickten die
Parteien ihr Spitzenpersonal ans Redepult.
## Kandidaten zeigen Rhetorikkünste
Unter dem Tagesordnungspunkt „Debatte über die Situation in Deutschland“
ließ sich keine und keiner die Gelegenheit entgehen, ihre Rhetorikkünste zu
demonstrieren: von Bundeskanzlerin Angela Merkel über die vier
SpitzenkandidatInnen von Grünen und Linkspartei bis zum SPD-Außenminister
Sigmar Gabriel.
Es ging kreuz & quer: Automobilindustrie und Dieselskandal,
Verteidigungsausgaben und Rüstungsexporte, Russland-Ukraine-Krim,
Digitalisierung, Europa und Griechenlandkrise, Flüchtlinge,
Rechtspopulismus, Terroranschläge, Bildung, Rente, Trump, Arbeitslosigkeit
– kaum ein Thema blieb unerwähnt. Der Erkenntnisgewinn: Am 24. September
wird gewählt.
5 Sep 2017
## AUTOREN
DIR Pascal Beucker
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