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       # taz.de -- Prozess gegen Aktivist Lee Ming-che: Von Taiwan aus Peking untergraben?
       
       > Schauprozesse mit Zwangsgeständnissen sind in China an der Tagesordnung.
       > Neu ist, dass dieses Vorgehen nun auch einen Hochschullehrer aus Taiwan
       > trifft.
       
   IMG Bild: Protest in Hongkong am 11.9. anlässlich der Eröffnung des Prozesses gegen Lee Ming-che
       
       BEJING taz | Sein Blick ist nach unten gerichtet. Seine Worte sind nur
       schwer zu verstehen. Nervös blickt er auf und spricht in die Kamera: „Ich
       plädiere auf schuldig und bereue meine Tat.“ Er habe sich wegen
       „Untergrabung der Staatsgewalt“ strafbar gemacht.
       
       Knapp sechs Monate nach seiner Festnahme hat am Montag im
       zentralchinesischen Yueyang der Prozess gegen den taiwanischen
       Hochschullehrer und Demokratieaktivisten Lee Ming-che begonnen. Chinas
       Behörden werfen dem 42-Jährigen vor, Artikel veröffentlicht und in der
       südchinesischen Stadt Guangzhou an Aktivitäten teilgenommen zu haben, mit
       denen er die kommunistische Führung und das politische System Chinas
       „bösartig verunglimpft“ habe.
       
       Lee war im März auf einer Reise durch die zentralchinesische Provinz Hunan
       plötzlich verschwunden. Einige Tage später teilten die Behörden mit, gegen
       ihn werde wegen des Verdachts „staatsgefährdender Aktivitäten“ ermittelt.
       Das Video mit seinem Geständnis stellte das Volksgericht Yueyang am Montag
       ins Internet. Für Amnesty International ist der Vorgang eindeutig: Von
       einem „erzwungenen Geständnis“ spricht der in Hongkong sitzende Mitarbeiter
       der Menschenrechtsorganisation, Patrick Poon. Das werde schon an der
       Wortwahl deutlich. Überhaupt: Niemand würde am Tag des Prozessauftakts
       freiwillig öffentlich ein Geständnis abgeben. „Der Prozess von Lee Ming-che
       ist ein klassischer Schauprozess“, kritisiert auch Maya Wang von Human
       Rights Watch.
       
       Amnesty zufolge hatte Lee viele Jahre lang zivilgesellschaftliche
       Organisationen unterstützt. Das ist in China eigentlich auch nicht
       verboten. Seit einiger Zeit ist es der Führung aber zunehmend ein Dorn im
       Auge, dass „ausländische Kräfte“ da tätig sind. Peking befürchtet
       Unterwanderung und hat die Regeln verschräft. Nur wer offiziell registriert
       ist, darf sich hier betätigen.
       
       Was den Fall von Lee aber besonders pikant macht: Chinas Behörden
       betrachten ihn gar nicht als „Ausländer“, sondern als Staatsbürger aus der
       „abtrünnigen Provinz“ Taiwan. Er falle damit unter chinesisches Recht.
       
       Entsprechend behandeln sie ihn: Bis heute haben sie ihm jeglichen Kontakt
       zu Angehörigen und Unterstützern verweigert. Dass Chinas Führung Taiwaner
       wie ihre eigenen Staatsbürger behandelt, ist noch recht neu. 2016 hatten
       chinesische Behörden in einem Betrugsfall erstmals Taiwaner von Spanien
       nach China entführt und sie vor Gericht gestellt. Auch mit Hongkongern, die
       offiziell ebenfalls nicht unter das volksrepublikanische Recht fallen, wird
       zunehmend so verfahren.
       
       Taiwans Regierung hat in allen Fällen mehrfach Protest eingelegt. Auch
       jetzt wieder: „Lee Ming-che ist taiwanischer Staatsbürger“, betont das
       Präsidialamt in Taipeh. Der Generalsekretär der taiwanischen
       Menschenrechtsvereinigung, Chiu E-ling, fordert die internationale
       Gemeinschaft auf, sich für Lees Freilassung einzusetzen. „China verstößt
       gegen internationales Recht und die Welt schaut zu“, kritisierte Chiu.
       
       12 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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