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       # taz.de -- Tegel: Unregelmäßigkeit bei Briefwahl: Die Stimme versagt
       
       > Beim Volksentscheid Tegel haben bis zu 100.000 Briefwähler ihren
       > Stimmzettel in den falschen Umschlag gesteckt – und wurden gar nicht
       > gezählt.
       
   IMG Bild: Was kommt bei der Briefwahl wo rein? Das war vielen nicht klar
       
       Der Wahlhelfer ist irritiert. Als er am Sonntag die Stimmen von
       BriefwählerInnen in Pankow auszählte, stellte er fest, dass viele
       WählerInnen die Zettel zum Volksentscheid Tegel in den falschen Umschlag
       gesteckt hatten. Sie lagen nicht wie vorgesehen im blauen inneren Umschlag,
       sondern lose im roten äußeren Umschlag. „Bei jedem siebten oder achten
       Brief war das der Fall“, erzählt er. In dem Wahlbüro in Pankow hätten sie
       diese Stimmzettel aussortiert und getrennt von anderen ungültigen Stimmen
       gesammelt. Nun fragt er sich: Wie wurden sie gewertet?
       
       Tatsächlich haben offenbar sehr viele BriefwählerInnen nicht verstanden, wo
       der Stimmzettel für Tegel hingehörte. Für die Bundestagswahl zählten die
       Behörden 632.000 BriefwählerInnen, beim Volksentscheid Tegel waren es nur
       524.000 – 108.000 weniger. „Diese Differenz ist wohl zum großen Teil auch
       darauf zurückzuführen, dass Stimmzettel offen abgegeben wurden“, sagte
       Geert Baasen, der Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin, am
       Dienstag der taz.
       
       Weil in dem äußeren Umschlag auch der namentlich gekennzeichnete Wahlschein
       zu finden war, konnte die Stimme der Person zugeordnet werden – das
       Wahlgeheimnis war somit nicht gewährleistet. Die falsch eingetüteten
       Stimmen tauchen deshalb in der Statistik nicht auf, auch nicht in der
       Kategorie ungültiger Stimmen, erklärte Baasen. „Ein offen abgegebener
       Stimmzettel zählt nicht mit, er ist zurückzuweisen.“ Noch lägen ihm die
       entsprechenden Protokolle nicht vor, insofern könne er nicht mit Sicherheit
       sagen, wie viele BriefwählerInnen das betreffe.
       
       Eine andere Zählweise hätte am Ausgang des Volksentscheid aber auch nichts
       geändert, betonte der Leiter der Geschäftsstelle. Selbst wenn 100.000
       BriefwählerInnen mehr mit Nein gestimmt hätten, wären die Jastimmen noch in
       der Mehrheit gewesen, so Baasen. Lediglich die genaue Prozentzahl von
       Gegnern und Befürwortern einer Offenhaltung des Flughafens hätte sich
       verschoben.
       
       ## Falsche Vorgehensweise
       
       Trotzdem wurde an dem Vorgehen der Landeswahlleitung am Dienstag Kritik
       laut. „Der Staat sollte den Bürgern nicht ihre Stimme nehmen“, sagte
       Christian Pestalozza, Professor für Rechtswissenschaften an der Freien
       Universität. Das Wahlgeheimnis sei durch das falsche Eintüten des
       Stimmzettels nicht automatisch verletzt, es sei nur „graduell etwas
       leichter verletzbar“. Dass die Stimmzettel im falschen Umschlag gar nicht
       in der Statistik auftauchen, hält Pestalozza ebenfalls für falsch. „Das
       geht nicht. Es handelt sich um eine abgegebene Stimme. Die ist entweder
       gültig oder ungültig und muss erfasst werden.“
       
       Wenn so viele Menschen falsch abstimmten, trage der Staat ja möglicherweise
       eine Mitschuld, so Pestalozza weiter. „Vielleicht hätte die Erklärung noch
       besser verständlich sein müssen, vielleicht hätte man ein Extrakuvert
       bereitstellen sollen.“ Nach Meinung des Rechtswissenschaftlers sollten auch
       die falsch eingetüteten Stimmzettel ausgezählt werden. „Dann sollte man im
       Interesse der Transparenz ein zweites korrigiertes Ergebnis neben das erste
       stellen.“
       
       Dass der Volksentscheid aufgrund der bisherigen Zählweise juristisch
       anfechtbar ist, glaubt Pestalozza trotzdem nicht. Es sei zwar möglich, dass
       Betroffene klagten. „Der Volksentscheid würde aber nur dann für ungültig
       erklärt, wenn die nicht gezählten Stimmen für das Wahlergebnis relevant
       wären.“
       
       Möglicherweise wurde ein kleiner Teil der falsch eingesteckten Stimmzettel
       – gegen den Willen der Landeswahlleitung – doch bereits ausgewertet. Schaut
       man sich die Ergebnisse zu Tegel in den einzelnen Briefwahlbezirken an,
       dann stellt man deutliche Abweichungen fest: Vielerorts ist die Zahl der
       ungültigen Stimmen einstellig, in anderen Bezirken tauchen dagegen
       plötzlich mehrere hundert ungültige Stimmen auf – die WahlhelferInnen
       könnten hier Stimmen im falschen Umschlag als ungültig gezählt haben, statt
       sie auszusortieren.
       
       26 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
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