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       # taz.de -- Vermummungsverbot in Österreich: Gefahr gebannt
       
       > Ab Oktober sind Burkas und andere Gesichtsverhüllungen in Österreichs
       > Öffentlichkeit verboten. Die Tourismusbranche macht sich Sorgen.
       
   IMG Bild: Und die? Britische Urlauber bei einem Skiwettbewerb in Österreich (Archivbild 2003)
       
       WIEN taz | Am 1. Oktober tritt in Österreich das sogenannte Burkaverbot in
       Kraft. Da es die in Afghanistan gebräuchliche Ganzkörperverhüllung dort
       kaum gibt, wird das „Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des
       Gesichts in der Öffentlichkeit (Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, AgesVG)
       eher Frauen mit dem Gesichtsschleier Nikab betreffen – und noch so manch
       anderen. Die Regelung ist Teil eines Integrationspakets, das außerdem den
       verpflichtenden Besuch von Deutschkursen für Asylbewerber und Hindernisse
       für Koranverteilungsaktionen enthält. Doch um einen Verstoß gegen die
       verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit zu vermeiden, ist das
       Gesetz in schönstem Juristendeutsch neutral formuliert:
       
       „Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden seine Gesichtszüge
       durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder
       verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, begeht eine
       Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu
       bestrafen.“
       
       Nun werden Kinder, die zu Halloween als Hexen oder Gespenster durch die
       Straßen ziehen, wohl ebenso wenig mit Strafverfolgung zu rechnen haben, wie
       die Narren am Faschingsdienstag. Aber was ist mit Menschen auf dem Weg zu
       einem Maskenfest? Darf Ronald McDonald weiter auf der Straße für die
       Kalorienbomben im Fast-Food-Lokal werben? Werden uns Horror-Clowns in
       Zukunft erspart bleiben, weil sie damit rechnen müssen, angehalten und zur
       Demaskierung aufgefordert zu werden?
       
       Das neue Gesetz schließt in seinem Paragrafen 2, Absatz 2 die Anwendung
       aus, wenn die Verhüllung „im Rahmen künstlerischer, kultureller oder
       traditioneller Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt
       oder gesundheitliche oder berufliche Gründe hat“. So werden wohl der
       Krampuslauf in Osttirol und das Tragen von Perchtenmasken bei lokalen
       Festen weiterhin straffrei sein. Auch erlaubt wäre allerdings, so meinen
       etwa die Spaßvögel der Kabarettsendung „Die Tagespresse“, dass ein Clown
       chirurgische Eingriffe vornimmt.
       
       Sicher ist, dass Motorradfahrer auch künftig einen Helm tragen müssen und
       weder Schweißer noch das Personal auf der Seuchenstation auf ihre Masken
       verzichten müssen. Anders Touristen, die sich vor Keimen schützen wollen:
       Atemschutzmasken sollen nur mehr dann erlaubt sein, wenn Feinstaubalarm
       ausgerufen wurde oder die betreffende Person ein ärztliches Zertifikat
       vorweisen kann.
       
       Schon ab dem kommenden Sonntag werden Polizistinnen und Polizisten die
       heikle Aufgabe haben, Verschleierte anzuhalten. Der Polizeigewerkschafter
       Hermann Greylinger klagte, man habe von der Umsetzung des Gesetzes erst aus
       der Zeitung erfahren und nicht – wie üblich – schon vorab. So habe es keine
       Möglichkeit gegeben, wichtige Details zu klären. „Die betroffene Person hat
       die Gesichtsverschleierung auf Aufforderung vor Ort abzunehmen“, heißt es
       in einer Begleitbroschüre. Weigert sie sich und lässt sie ihre Identität
       nicht feststellen, „kann sie durch den Polizisten auf die Polizeistation
       gebracht werden“. Und was dann?
       
       Gegner des Gesetzes wenden zudem ein, dass betroffene Frauen wohl eher zu
       Hause bleiben werden, als den Schleier abzulegen. Das würde weder den
       Frauen noch den Zielen der Integration weiterhelfen. Die Tourismusbranche
       fürchtet um die betuchten Gäste aus den Golfstaaten, die in den Wiener und
       Salzburger Einkaufsstraßen ihre Petrodollars ausgeben oder in Zell am See
       in den besten Häusern absteigen.
       
       Sorgen um die Unrechtmäßigkeit des Gesetzes macht der österreichische
       Gesetzgeber sich nicht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
       urteilte 2014 bereits für Frankreich, das Tragen einer Burka stelle eine
       Barriere dar, „die das Recht von anderen auf friedliches Zusammenleben in
       einem sozialen Raum verletzt“. Ein Verbot derselben sei daher „auch im
       Lichte der Religionsfreiheit verhältnismäßig“.
       
       Anders sieht das der eigentlich säkular orientierte algerische
       Immobilienmogul Rachid Nekkaz. Er kündigte an, im Namen der
       Religionsfreiheit alle eventuell anfallenden Strafen für österreichische
       Nikab-Trägerinnen zu übernehmen. Die Probe aufs Exempel steht auch schon
       an: Eine Gruppe lädt für den 1. Oktober über Facebook zum
       [1][„traditionellen Wiener Vermummungsfest“] ein – natürlich eine
       „künstlerische, kulturelle und traditionelle Veranstaltung nach dem
       Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz § 2. Abs 2“.
       
       30 Sep 2017
       
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   DIR Ralf Leonhard
       
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