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       # taz.de -- Der „Hausheilige“ der Kunsthalle: Der Maler auf der Bühne
       
       > Theater, Varieté, Zirkus – Max Beckmann liebte die Bühne und malte das
       > ganz große Welttheater. Das zeigt jetzt erstmals die Bremer Kunsthalle.
       
   IMG Bild: Insgesamt zehn Triptychen wie dieses schuf Max Beckmann
       
       BREMEN taz | Max Beckmann sei „Theaterdirektor, Regisseur,
       Kulissenschieber“, so formulierte es sein Freund und Sammler Stephan
       Lackner anlässlich der Londoner Gegenausstellung zur „Entarteten Kunst“ im
       Jahr 1938.
       
       Eine Art „Hausheiliger“ sei Max Beckmann für die Bremer Kunsthalle, sagt
       Direktor Christoph Grunenberg. Seit 1920 das erste Beckmann-Gemälde
       angekauft wurde, sammelte die Kunsthalle gezielt und rettete den Bestand
       auch über die NS-Zeit, in der Beckmann als „entartet“ galt. Dennoch hat es
       seit 1984 in der Kunsthalle keine große Beckmann-Ausstellung mehr gegeben,
       obwohl hier nicht nur fast der vollständige Bestand an Grafiken des
       Künstlers schlummert, sondern auch einige seiner bedeutendsten Gemälde.
       
       Ab heute wird aus dem „Hausheiligen“ also wieder der „Theaterdirektor“, in
       der neuen großen Ausstellung „Max Beckmann. Welttheater“. Den Begriff, mit
       Platon also eine Welt als Theater, in dem die Menschen ihre von Gott
       zugeteilten Rollen spielen, hat wiederum Freund Lackner anlässlich der
       Londoner Ausstellung erstmals aufs Werk Beckmanns übertragen. Die Idee der
       Ausstellung ist somit nicht neu, immer wieder wird Beckmann seither mit dem
       Begriff „Welttheater“ in Verbindung gebracht. So auch in der Münchener
       Beckmann-Ausstellung in der Pinakothek, die sich 2004 auf seine Zeit im
       Amsterdamer Exil fokussierte und damit zwangsläufig den
       „Welttheater“-Gedanken transportierte. Die Kunsthalle widmet sich diesem
       Thema allerdings erstmals ausführlich und eben ausschließlich mit Arbeiten,
       die sich ganz unmittelbar auf das Theater beziehen.
       
       Zu sehen sind rund 120 Werke aus der Zeit von 1920 bis 1950. Selten in
       Europa gezeigte Leihgaben aus den USA sind darunter, so etwa das Triptychon
       „Schauspieler“ aus den Amsterdamer Exil-Jahren 1941/42, das in besonderer
       Weise Beckmanns Vorliebe für die Bühne ausdrückt: So ist das Bild eben
       nicht nur ein Triptychon, also aus drei Teilen bestehend, sondern innerhalb
       dieser Teile noch einmal in verschiedene räumliche Ebenen unterteilt.
       
       Zu sehen ist nicht nur, was auf der Bühne geschieht, sondern auch das, was
       darunter ist – ein künstlerischer Rückgriff auf die Bühnentechnik und
       -ästhetik Erwin Piscators. Beckmanns lebenslange Faszination für Theater,
       Varieté und Zirkus ist gut überliefert und drückt sich in vielen seiner
       Werke aus.
       
       Eines der zentralen Bilder der Ausstellung ist der „Apachentanz“ von 1938
       aus der Sammlung der Kunsthalle. Der Begriff „Apaches“ wurde Anfang des
       zwanzigsten Jahrhunderts für Jugendgangs, Zuhälter und Kriminelle in Paris
       benutzt und fand als gängiges Motiv auch Eingang in die Varieténummern etwa
       des „Moulin Rouge“. Das Bild zeigt eine solche Szene: Einen als
       dramatischen Tanz inszenierten Kampf zwischen einem Zuhälter und einer
       Prostituierten. Das „Welttheater“ entsteht dabei durch die Zuschauer – sie
       sehen allesamt weg. „Ein Sinnbild für die aktuelle politische Lage 1938“,
       sagt Kokuratorin Verena Borgmann.
       
       Dass das Konzept des „Welttheaters“ so schnell nicht an Relevanz verliert,
       glaubt auch Kunsthallendirektor Christoph Grunenberg: „Das Leben als Bühne
       in einem Welttheater – das ist gerade jetzt eine hoch aktuelle
       Ausstellung.“
       
       28 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karolina Meyer-Schilf
       
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