# taz.de -- Kommentar Scheidungsväter: Den Kampf ums Kind befrieden
> Die Familienministerin will getrennte Elternteile steuerrechtlich
> besserstellen. Die Belastung der Kinder könnte sich dadurch verringern.
IMG Bild: Trennen ist kein Problem – solange man danach nicht an den Kinder zerrt
Katarina Barley weiß, wovon sie spricht. Die Familienministerin ist
geschieden, die beiden Söhne pendeln seit der Trennung der Eltern zwischen
Mutter und Vater hin und her. Und das nicht nur innerhalb einer Stadt,
sondern zwischen zwei Bundesländern. Mit erheblichen Folgen für alle
Beteiligten: Kinderzimmer in beiden Wohnungen, dazu Zahnbürsten, Kleidung,
Schulzeug, Fahrtkosten.
Für die getrennten Eltern bedeutet das eine größere Verantwortung und
zusätzliche Kosten. Für die Kinder ein Leben zwischen zwei – oft recht
unterschiedlichen – Welten.
Herrscht zwischen den getrennten Eltern Frieden, muss das für alle
Beteiligten kein Stress sein. Im Idealfall können Kinder dadurch sogar
gewinnen. Sie erfahren unterschiedliche Lebensweisen und bekommen
vorgelebt, wie Konflikte sachlich gelöst werden können.
Sie wachsen mit zufriedeneren Eltern auf, weil diese nicht versuchen, wegen
der Kinder krampfhaft zusammen zu bleiben. Aus der Trennungsforschung ist
bekannt, dass Kinder stärker darunter leiden, mit dauerhaft giftenden
Eltern aufzuwachsen, als wenn diese sich trennen.
## Der Teufel steckt im Detail
Diesen Realitäten versucht die SPD-Politikerin, die nach der Bundestagswahl
am Sonntag Familienministerin bleiben möchte, gerecht zu werden. Sie will
Müttern helfen und Väter nicht benachteiligen. Man könnte das auch anders
herum formulieren – je nach Sichtweise.
Barleys Idee, getrennte Mütter und Väter steuerrechtlich zu entlasten, ist
gut und richtig. So würde beiden Eltern geholfen. Bisher profitiert nur der
Elternteil, bei dem die Kinder hauptsächlich leben. Fair ist auch der
Vorschlag, sogenannten Hartz-IV-Eltern einen „Erziehungsmehrbedarf“ zu
zahlen, der nicht auf das Sozialgeld angerechnet wird.
Komplizierter wird es allerdings bei ihren Ideen wie einer verordneten
Mediation für sich trennende Eltern sowie dem paritätischen Wechselmodell.
Dahinter steckt der lobenswerte Ansatz, allen Seiten gerecht zu werden, vor
allem den Kindern. Aber das Leben ist bekanntlich kein Ponyhof – und der
Teufel steckt hier im Detail.
Allein die Mediation: Die Idee ist nicht neu, das Amtsgericht in Cochem
versucht als „Cochemer Modell“ schon seit 1992, streitende Eltern zu
befrieden. Dabei wird ihnen eine dritte Person an die Seite gestellt, die
besänftigen und so eine Einigung zwischen den Eltern hervorbringen soll.
## Der Kampf wird oft über die Kinder ausgetragen
„Schlichten statt streiten“ nannte Jürgen Rudolph das Modell, das er
entwickelt hat. Der Familienrichter hatte es irgendwann satt, dass Gerichte
bei Scheidungen meist für eine Seite entschieden und damit mehr Wut,
Verletzungen und Ungerechtigkeiten hinterlassen, als ihnen selbst lieb sein
dürfte.
So gut das Cochemer Modell allerdings klingt, so schwer ist es in der
Realität umzusetzen, wenn die streitenden Parteien so heftig ineinander
verkeilt sind, dass nichts mehr geht. Dann streiten sie mitunter solange,
bis die Kinder groß sind. Davon profitiert am Ende niemand. Schon gar nicht
die Kinder.
Oder das Wechselmodell: Die Väterlobby hat dafür gesorgt, dass der
gleichberechtigte Umgang mit dem Kind so heftig debattiert wie noch nie
zuvor. Es funktioniert allerdings nur, wenn sich die getrennten Eltern
verstehen.
Tun sie das nicht, wird der Kampf gegeneinander über die Kinder und den
Anspruch an sie ausgetragen: Ich will, ich will, ich will. Das ist mein
Recht. Nein, ist es nicht, du musst erst … So in etwa. Die Kinder werden
meist vorgeschoben mit dem Argument, dass sie das Recht auf gleiche Zeit
mit beiden Eltern haben.
## Neben der Liebe zum Kind geht es oft um Fiskalisches
Dahinter steckt – neben der ehrlichen Sehnsucht nach dem Kind – häufig aber
auch ein fiskalischer Gedanke: Solange die Kinder zu 51 Prozent von einem
Elternteil betreut werden, muss die andere Seite vollständigen Unterhalt
zahlen. In der Regel sind das die Väter, viele Mütter arbeiten Teilzeit und
sind auf das Geld angewiesen. Das mag man ungerecht finden – den
„Zahlvätern“ gegenüber. Oder, weil sich manche Mütter weigern, mehr zu
arbeiten, als sie könnten.
Das Thema ist hochkomplex und emotional aufgeladen. Und bleibt bei
komplizierten Streitfällen trotz aller Schlichtungsversuche vielfach
ungerecht. Barley zeigt Mut, sich auf dieses hochverminte Feld zu begeben.
Wer aber sollte das tun, wenn nicht die Familienministerin? Sie ist gut
beraten, in Streitfällen auf Einzelfallentscheidungen zu setzen.
19 Sep 2017
## AUTOREN
DIR Simone Schmollack
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