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       # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Merkel ist eine Khaleesi
       
       > Man muss nicht mit Merkels Politik einverstanden sein, um zuzugeben: Ihre
       > Art, Politik zu machen, ist derzeit die einzig würdige.
       
   IMG Bild: Angela Merkel, du bist die fokussierte Drachenreiterin der Herzen!
       
       Nach der Wahl staunen wieder alle: Die gesamte Parteienlandschaft ist in
       Aufruhr, aber Merkel steht wie ein Felsen mitten in der Brandung. Wie
       schafft sie das? In den vergangenen Wochen fallen schon wieder abschätzige
       Bezeichnungen wie „Teflon“, [1][„Pudding“ oder „Mutti“]: Statt den Fehler
       bei sich selbst zu suchen, projizieren Beobachter auf Merkel.
       
       Es ist aber auch nicht schwer, die einzige Erwachsene im Raum zu sein, wenn
       man von [2][Hampelmännern wie der CSU], Wanklern wie der SPD,
       „Hat-Sich-Stets-Bemüht“-Politikern wie den Grünen, Opportunisten wie der
       FDP oder Daueroppositionellen wie den Linken umgeben ist. Es ist wie bei
       der Fernsehserie „Game of Thrones“: Während sich die halbe Welt um den
       Eisernen Thron balgt und [3][die Zombie-Armee ihren Angriff beginnt], ist
       Merkel die fokussierte Drachenreiterin, die ihre künftige Hauptstadt nicht
       für den schnellen Sieg in Schutt und Asche legt. Sie ist eine Khaleesi.
       
       Merkels Politik ist werteorientiert wie in der Flüchtlingskrise, aber sie
       erlaubt sich auch dazuzulernen wie bei der Abschaffung der Atomkraft. Sie
       agiert taktisch geschickt wie beim drohenden Grexit, gibt aber in
       entscheidenden Augenblicken auch ihr politisches Kapital aus, um unpopuläre
       Politik durchzusetzen wie nach Fukushina. Es stimmt auch nicht, dass sie
       alles dominiert: In der letzten Regierung hatten genügend Minister und auch
       die SPD gute Möglichkeiten sich zu profilieren. Merkel steht sogar beiseite
       und lässt die Opposition die mehrheitsfähige „Ehe für Alle“ durchsetzen,
       mit der sie nicht einverstanden ist.
       
       Merkel quatscht nicht dauernd mit der Presse, und sie informiert sich auch
       nicht primär aus der Presse: Fast jeden zweiten Tag erhält sie eine neue,
       vom Kanzleramt bestellte Meinungsumfrage, die sie gründlich liest, [4][wie
       der Spiegel berichtet]. Dass ihre Sicht auf die Welt [5][vom Werk des
       herausragenden Welthistorikers Jürgen Osterhammel informiert ist], spricht
       ebenfalls dafür, dass einen Blick für die großen Zusammenhänge hat.
       
       An der Flüchtlingskrise sieht man vieles davon: Merkel nutzt ihre Macht, um
       eine unpopuläre und letztlich teure Entscheidung zu treffen und die Grenzen
       zu öffnen. Sie begründet das, völlig richtig, mit der menschenrechtlichen
       Verpflichtung, Notleidende aufzunehmen. Wenn die CSU nach einer Obergrenze
       schreit, lehnt sie das ab, denn Menschenrechte sind unteilbar. Aber: Sie
       findet eine außenpolitische Lösung mit dem Türkei-Deal, der die
       Flüchtlingszahlen reduziert, ohne ein Zugeständnis an die Rumpelstilzchen
       aus Bayern zu sein.
       
       Der Türkei-Deal ist dennoch höchstproblematisch, ja: falsch, und die von
       der CDU vorangetriebenen Asylpakete ebenfalls. Aber Merkel ist ehrlich über
       ihre Motivationen und lässt sich vor allem an ihren Taten messen. Das ist
       das Gegenteil von dem, was zum Beispiel die AfD ist, [6][die viel protzt
       und wenig kann]. Ihre Standhaftigkeit fehlt aber – leider – auch im linken
       Lager.
       
       27 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.focus.de/regional/koeln/koeln-ohne-wahl-keine-demokratie-ohne-demokratie-keine-wahl_id_7617241.html
   DIR [2] http://www.n-tv.de/politik/CSU-haelt-an-Fraktionsgemeinschaft-fest-article20051484.html
   DIR [3] https://twitter.com/tazgezwitscher/status/911983714292387840
   DIR [4] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129095167.html
   DIR [5] https://www.theguardian.com/world/2016/dec/29/angela-merkel-jurgen-osterhammel-the-transformation-of-the-world-book-germany
   DIR [6] /Analyse-AfD-Fraktion-im-Bundestag/!5449993
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lalon Sander
       
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