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       # taz.de -- Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt: Das Dilemma mit der sicheren Krise
       
       > Egal, wie die künftige Bundesregierung die nächste Schulden- oder
       > Finanzkrise angeht: Die Euroskeptiker lauern schon.
       
   IMG Bild: 2008 vor der US-Investmentbank Lehman-Brothers in London
       
       Berlin taz | Der US-Ökonom Alan Blinder schrieb einst, es sei einfach, eine
       Finanzkrise vorherzusagen. Man müsse nur periodisch behaupten, sie komme,
       irgendwann hat man recht. Nun denn, ein Versuch: In der nächsten
       Legislaturperiode gibt es einen neuen, epischen Knall auf den
       Finanzmärkten.
       
       Am Mittwoch etwa veröffentlichten 15 führende deutsche und französische
       Ökonomen (mit dabei Ifo-Chef Fuest und DIW-Chef Fratzscher) einen Appell an
       Deutschland und Frankreich, die EU zu reformieren: „Ansonsten bleibt die
       Gefahr hoch, dass eine neue Schulden- oder Finanzkrise den Euroraum in
       einer nicht allzu fernen Zukunft erschüttern könnte.“
       
       Bereits vor der Wahl veröffentlichte Deutsche Bank (DB) Research einen
       Report mit dem Titel: „Die nächste Finanzkrise“. Darin heißt es: „Wir sind
       ziemlich sicher, dass es demnächst eine neue Finanzkrise oder einen Schock
       gibt.“
       
       Szenarien dafür gibt es eine Menge: Ein großer Knall bei chinesischen
       Schattenbanken, eine Bankenkrise in Italien, auch ein großes Finanzchaos
       durch Hacker wäre drin. Das gravierendste Problem ist aber ein anderes: Die
       Welt druckt wie bekloppt Geld.
       
       Nach Berechnungen von DB Research haben die Zentralbanken der USA, Japans,
       Großbritanniens und der Eurozone seit der Krise 2008 10 Billionen Dollar in
       die globale Wirtschaft gepumpt, mehr als das Doppelte der jährlichen
       deutschen Wirtschaftsleistung. Hinzukommt, dass die Staatsverschuldung rund
       um den Globus um 20 Billionen Dollar seit der Krise gestiegen ist – ein
       gewaltiger Staatsschuldenberg, der eigentlich die Wirtschaft hätte
       stimulieren sollen. Doch, so schreibt DB Research, die insgesamt 30
       Billionen-Dollar-Stimulation der Weltwirtschaft hat kaum Wachstum, kaum
       Inflation, aber haushohe Anlagenpreise rund um den Globus gebracht – also
       etwa Aktien- oder Immobilienpreise aufgebläht. Eine solche Entwicklung sei
       „unbekanntes Terrain“.
       
       ## Futter für Rechtspopulisten
       
       Aus der Situation ergibt sich ein Teufelskreis für die neue
       Bundesregierung: Die Geldflut sorgt für soziale Probleme wie steigende
       Mieten, was Rechtspopulisten Futter gibt. Allerdings geben die Maßnahmen
       dagegen den Rechtspopulisten genauso Futter.
       
       Wahrscheinlich ist, dass die Europäische Zentralbank demnächst der
       US-Notenbank folgt und die Geldflut eindämmt. Dann aber steigen die Zinsen
       für Staatsschulden an. „Das könnte diejenigen Länder unter Druck setzen,
       die ihre Wirtschaft nur zögerlich reformiert und ihre Verschuldung nicht
       hinreichend abgebaut haben“, schreiben die deutsch-französischen Ökonomen.
       
       Druck heißt, dass die Stabilität des Euro strapaziert wird. Um das zu
       vermeiden, müssten die Finanzrisiken in der Euro-Zone breiter verteilt
       werden, kurzum: Die Deutschen müssten bereit sein, mehr für Banken und
       Staatshaushalte anderer EU-Staaten einzustehen.
       
       Für die Grünen kein Problem, für die potenziellen Koalitionäre FDP und CSU
       aber ist das ein rotes Tuch. Außerdem würde die AfD greinen, dass die
       Jamaika-Koalition es zuließe, dass die EU tapfere Deutsche schröpft.
       
       ## Steigende Zinslasten
       
       Werden die Risiken allerdings nicht gleichmäßiger verteilt, schießen die
       Zinsen für Staatsanleihen der Südstaaten der Eurozone in der nächsten Krise
       nach oben. Dann müsste der Europäische Stabilitätsmechanismus einspringen,
       und den finanziert Deutschland ohnehin mit. Auch dann wiederum würde also
       die AfD greinen, die EU schröpfe tapfere Deutsche.
       
       Ein Ausweg? Nun, die EU-Staaten müssten die gegenwärtige fiskalische
       Friedenszeit nutzen. Als Gegenleistung für mehr Risikoteilung schlagen die
       15 Ökonomen etwa vor, dass „Anreize für Reformen gewahrt bleiben und die
       Nichtbeistandsklausel für Staaten sowie die Bail-in-Regeln für Banken
       glaubwürdiger werden“. Heißt deutsches Geld für deutsche Regeln: Wenn
       Banken pleitegehen, sollen Aktionäre und Eigner blechen. Wenn Staaten
       pleitegehen, dürfen andere Staaten nicht einspringen – was bisher
       allerdings nicht funktioniert hat. „Reformen“ heißt: weniger
       Sozialleistungen, niedrigere Löhne, weniger Arbeitnehmerrechte.
       
       In dem Fall würde dann Europas Linke motzen, die EU spare die kleinen Leute
       kaputt: Wäre ja eine schöne Vorlage für die neue Oppositions-SPD.
       
       28 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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