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       # taz.de -- Medizin-Numerus-Clausus vorm BVerfG: Ohne 1,0 kein guter Arzt?
       
       > Wird der „Numerus clausus“ für Medizin gekippt? Das
       > Bundesverfassungsgericht prüft die Vergabe von Studienplätzen.
       
   IMG Bild: Hatte dieser Arzt wohl ein 1,0-Abi?
       
       Freiburg taz | Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn fast nur
       Einser-Abiturienten Medizin studieren können? Darüber verhandelte jetzt das
       Bundesverfassungsgericht und stellte die so genannten „Numerus
       clausus“-Regeln auf den Prüfstand.
       
       Im begehrten Studienfach Medizin kommen derzeit 62.000 Bewerber auf knapp
       11.000 Studienplätze. Derzeit werden 40 Prozent der Medizin-Studienplätze
       von der Stiftung für Hochschulzulassung zentral vergeben – je 20 Prozent
       nach der Abinote und 20 Prozent nach der Wartezeit. Wer hier einen
       Studienplatz ergattern will, muss eine Abinote von 1,0 bis 1,2 vorweisen.
       Die Wartezeit beträgt inzwischen 14 bis 15 Semester – länger als die
       Regelstudienzeit von 12 Semestern. Bei den übrigen 60 Prozent der
       Studienplätze legen die Unis die Kriterien fest. Allerdings spielt auch
       hier oft die Abinote die zentrale Rolle.
       
       Einer der Kläger ist ein 26-Jähriger, der 2010 in Hamburg Abitur machte.
       Mit seinem Notenschnitt von 2,6 kann er nur über die Wartezeit zum Zuge
       kommen. In der Zwischenzeit hat er eine Ausbildung zum Rettungssanitäter
       absolviert. 2014 klagte er gegen die Stiftung für Hochschulzulassung, weil
       ihm alles zu lange dauerte. Das zuständige Verwaltungsgericht in
       Gelsenkirchen teilte seine Kritik. Es hält das derzeitige Verteilungssystem
       für verfassungswidrig, weil es die Abiturnote überbewerte.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hatte sich 1972 schon einmal mit dem Problem
       beschäftigt. Damaliges Ergebnis: Eine Beschränkung der Studienplätze
       (Numerus clausus) muss gesetzlich geregelt werden, weil sie ins Grundrecht
       auf freie Wahl der Berufsausbildung eingreift. Kein Bewerber mit
       Studienberechtigung darf dauerhaft von seinem Wunschfach ausgeschlossen
       werden.
       
       ## Obergrenze für Wartezeiten
       
       Die Sachverständige Martina Kadmon, Medizinprofessorin aus Augsburg,
       schätzt die Bedeutung der Schulnoten differenziert ein: „Die Abiturnote
       kann den Studienerfolg gut vorhersagen, vor allem in den theoretischen
       Fächern, weniger im klinischen Teil. Sie kann aber nicht vorhersagen, ob
       jemand später ein guter Arzt wird.“
       
       Isabel Molwitz von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden kritisiert
       die hohe Bedeutung der Abinote. „Wer Medizin studieren will, wählt heute
       die Fächer in der Oberstufe nur noch mit Blick auf die Note aus. Man nimmt
       dann lieber Musik als eine Naturwissenschaft, obwohl das für Mediziner
       nicht sinnvoll ist.“
       
       Der Vertreter des Medizinischen Fakultätentags forderte, die Wartezeit als
       Kriterium für die Vergabe von Studienplätzen ganz aufzugeben. Wer erst nach
       Jahren mit dem Studium beginne, habe durchschnittlich weniger Erfolg und
       gebe häufig das Studium wieder auf.
       
       Die Richter scheinen die Abiturnote als Kriterium nicht in Frage zu
       stellen. Außerdem erwägen sie, eine Obergrenze für Wartezeiten einzuführen.
       Den Hochschulen muss der Gesetzgeber künftig wohl mehr Vorgaben für ihr
       Zulassungsverfahren machen. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
       
       5 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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