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       # taz.de -- DAX-Kurs-Rekord an der Börse: „Wir“ profitieren also nicht
       
       > Neues Allzeithoch beim Deutschen Aktienindex. Schön für alle Profiteure.
       > Schlecht für alle anderen, denn die zahlen indirekt für den Boom.
       
   IMG Bild: „Wir“, das sind in dem Fall die 14 Prozent der Deutschen, die in irgendeiner Form Aktien besitzen
       
       Berlin taz | Der Twitter-Account [1][der Zeitung Die Welt] wird diese Woche
       vom Finanzmarktexperten Holger Zschäpitz betreut, und der Mann macht wenig
       Aufhebens darum, für wen er schreibt: „Wir sind so reich wie nie zuvor“,
       twitterte er am Mittwoch, als der DAX ein neues Allzeithoch erreichte.
       „Wir“, das sind in dem Fall die 14 Prozent der Deutschen, die in
       irgendeiner Form Aktien besitzen. Der Rest geht nicht nur leer aus, er
       leidet sogar unter dem Boom.
       
       Das zeigt sich schon an den Faktoren, die jetzt kurzfristig zum Kursplus
       geführt haben. Der DAX stand am Mittwoch bei 12.976,24 Punkten, ein Rekord.
       Das hat damit zu tun, dass Donald Trump in den USA mal wieder seine
       Steuerreform angekündigt hat: Die brächte US-Unternehmen eine
       Steuererleichterung von 2,6 Billionen Dollar binnen zehn Jahren. Dazu
       kommen noch sinkende Einkommensteuern.
       
       Das Tax Policy Center in Washington hat ausgerechnet, dass die
       US-Topverdiener, das reichste 1 Prozent, 50 Prozent der Steuervorteile
       einstreichen. The rich get richer – das freut die Wall Street, zieht dort
       die Kurse nach oben und damit den DAX. Hinzu kommt die Aussicht auf einen
       schwächeren Euro, weil die Notenbank in den USA die Zinsen anhebt, die EZB
       nicht. Schwacher Euro heißt mehr Exporte, das freut die
       Exportweltmeisterkonzerne im DAX.
       
       ## Wer davon profitiert
       
       „Wir“ profitieren also nicht, was auch Folgendes zeigt: Der „Deutsche
       Aktienindex“ müsste eigentlich in „Aktienindex mit deutscher
       Minderheitsbeteiligung“ umbenannt werden – 54 Prozent der Aktien der
       DAX-Konzern gehören laut einer [2][Studie von Ernst & Young] ausländischen
       Investoren, etwa den beiden weltgrößten Fondsgesellschaften Blackrock und
       Vanguard. Nur 35 Prozent lassen sich eindeutig deutschen Anlegern zuordnen.
       31,7 Milliarden Euro schütteten die DAX-Konzerne 2016 an sämtliche
       Aktionäre aus. Geld, das nicht mehr für Lohnerhöhungen oder Investitionen
       zur Verfügung steht.
       
       Gut sind die Kurse auch für die Vorstände der DAX-Konzerne: Nach
       Berechnungen von Gunther Friedl, Professor an der TU München, erhalten
       diese 27,1 Prozent ihrer Vergütung in Form von aktienkursorientierten
       Bestandteilen. Sie profitieren also vom allgemeinen Aktienboom, auch wenn
       das nichts mit ihrer Leistung zu tun. Allerdings gibt es bei 17 von 30
       DAX-Konzernen den Bonus nur, wenn sie relativ zur Konkurrenz besser
       abschneiden – was dann durchaus mit gutem Management zu tun hat.
       
       ## Wer dafür zahlt
       
       Das weitaus größte Problem ist, dass der Aktienboom maßgeblich darauf
       zurückzuführen ist, dass Notenbanken immer mehr Geld in die Märkte pumpen.
       Das soll Banken dazu verleiten, der Wirtschaft Kredite zu geben, was Jobs
       schafft. Doch ein nicht unwesentlicher Teil das Gelds landet zum einen an
       den Aktienmärkten und führt zum anderen dazu, dass Immobilien immer stärker
       nachgefragt sind. Die Folge sieht jeder an seiner steigenden Miete. Kurzum:
       Obwohl viele deutsche Konzerne gerade zweifellos gute Gewinne einfahren,
       zahlen den allgemeinen Trend diejenigen, die kein Geld für Geld haben, das
       sich selbst vermehrt.
       
       Die Sache geht noch weiter: Viele deutsche Normalverdiener sparen
       wenigstens für die Rente – sie riestern etwa. Doch als solche profitieren
       sie vom Aktienboom nicht. Der Gesamtverband der Deutschen
       Versicherungswirtschaft (GDV) gibt an, dass die Versicherer nur 4,6 Prozent
       ihres Kapitals am Aktienmarkt investieren.
       
       Viel mehr steckt etwa in Staatsanleihen, die sicherer sind, aber kaum
       Zinsen bringen. „Die hohen Kursgewinne auf den Aktienmärkten können die
       negativen Auswirkungen des historisch einmaligen Niedrigzinsumfelds bei
       weitem nicht kompensieren“, schreibt GDV-Chefvolkswirt Klaus Wiener der
       taz. Er spricht von „massiven Fehlanreizen“, die unter anderem auch die
       Entstehung einer Immobilienblase begünstigten.
       
       4 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/welt
   DIR [2] http://www.ey.com/de/de/newsroom/news-releases/ey-20170425-dax-konzerne-weiter-ueberwiegend-in-auslaendischer-hand
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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