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       # taz.de -- Jobchancen für Alleinerziehende: Teilzeit gibt es nicht
       
       > Es gibt kaum betriebliche Teilzeitausbildungen für Alleinerziehende.
       > Betriebe und Handelskammer behaupten allerdings, wenig Bedarf zu sehen.
       
   IMG Bild: Haben oft schlechtere Chancen im Job: Alleinerziehende
       
       Bremen taz | Ein Kind ist oftmals der Grund dafür, dass Alleinerziehende
       keine Ausbildung haben. Eine Schwangerschaft in jungen Jahren kann dazu
       führen, dass eine Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst angefangen
       wird. In Bremen gibt es nach einer aktuellen [1][Erhebung der
       Arbeitnehmerkammer] rund 2.600 Alleinerziehende ohne Arbeit, die nicht
       einmal eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, das sind 69 Prozent
       aller Alleinerziehenden im Leistungsbezug.
       
       Gleichzeitig gibt es kaum betriebliche Ausbildungsangebote, die auf dieses
       größer werdende Familienmodell zugeschnitten sind. In Bremen sind nur 0,8
       Prozent aller Ausbildungsverträge Teilzeitausbildungen, bundesweit sogar
       nur 0,4 Prozent. Gleichzeitig Kinder erziehen und sich für einen guten
       Beruf qualifizieren? Für Alleinerziehende kaum möglich.
       
       Esther Schröder, Referentin für Gleichstellungspolitik bei der
       Arbeitnehmerkammer, sagt: „Seit 2005 gibt es rechtlich die Möglichkeit,
       eine Teilzeitausbildung anzubieten.“ Tatsächlich werde davon kaum Gebrauch
       gemacht. „Wenn man ständig Fachkräftemangel und freie Lehrstellen beklagt,
       warum kommen Betriebe dann nicht auf die Idee, Ausbildungen in Teilzeit
       anzubieten?“
       
       Die aktuelle Erhebung zeige, dass der Wille zur Ausbildung insbesondere bei
       den Alleinerziehenden unter 25 Jahren groß ist. 75 Prozent könnten sich
       danach vorstellen, eine Teilzeitausbildung zu machen, Angebote gibt es
       jedoch kaum. „Da sind Unternehmen in der Bringschuld: Die fordern immer
       Flexibilität, sind es aber selber gar nicht“, sagt Schröder. Zumal
       Teilzeitausbildungen gar nicht auf Alleinerziehende beschränkt sein
       müssten: „Es können ja auch Eltern in Paarbeziehungen eine
       Teilzeitausbildung machen wollen.“
       
       Bei der Handelskammer in Bremen weiß man um die niedrigen Zahlen:
       „Teilzeitausbildungen kommen weniger zu Stande, als man es sich
       idealtypisch vorstellt“, sagt Björn Reichenbach, der bei der Handelskammer
       für Ausbildungen zuständig ist.
       
       Ein Problem: „Die Kürzungen erfolgen überproportional im betrieblichen
       Teil, die Berufsschule wird nicht verkürzt.“ Das allein sei zwar noch kein
       Hinderungsgrund, aber für die Betriebe sei es durch verschiedene Faktoren
       komplizierter, Teilzeitausbildungen festzuzurren. Und klar, wer „im
       Notfall“ die Kinder betreue, sei auch eine Frage.
       
       Allerdings sei die Nachfrage ohnehin gering: „Kaum jemand bewirbt sich
       überhaupt für Teilzeitausbildungen, vermutlich auch, weil Bewerber in
       Konkurrenz zu allen anderen stehen“, sagt Reichenbach.
       
       Dass es laut der Erhebung der Arbeitnehmerkammer viele Alleinerziehende
       geben dürfte, die sich eine Teilzeitausbildung wünschen, ist aus Sicht der
       Handelskammer kaum in ein tatsächliches Ausbildungsverhältnis zu
       übertragen: „Es ist schwierig, Wünsche mit der betrieblichen Realität
       zusammen zu bringen.“ Diese „spezifische Zielgruppe“ habe ganz andere
       Probleme und sei auf dem Arbeitsmarkt „nicht so präsent“.
       
       Letzteres könnte auch daran liegen, dass alleinerziehende Eltern von
       Kindern unter drei Jahren überhaupt nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
       stehen. Wenn sie „Betreuungsleistungen erfüllen“, tauchen sie in der
       Arbeitslosenstatistik gar nicht erst auf: Das SGB II sieht vor, dass
       alleinerziehende Eltern sich drei Jahre lang Elternzeit nehmen können, also
       weder vermittelt werden, noch zu Beratungsgesprächen kommen müssen oder
       eingeladen werden.
       
       Dabei wünschen sich 61 Prozent der Alleinerziehenden im Leistungsbezug mit
       Kindern unter drei Jahren eine Arbeit, auch in Teilzeit, zehn Prozent
       wünschen sich gar mehr Termine beim Jobcenter.
       
       Das Jobcenter würde jedenfalls gerne Alleinerziehende in Ausbildung
       vermitteln: Christian Ludwig, Sprecher des Jobcenters Bremen, sagt: „Gerade
       bei jungen Alleinerziehenden ist das Ziel eine betriebliche Ausbildung in
       Teilzeit.“ Aber diese Gruppe hätte oft weniger Chancen auf dem
       Arbeitsmarkt, weswegen die Jobcenter berufliche Weiterbildungen und
       „dreijährige Umschulungen in Teilzeit, die nicht in einem Betrieb sind,
       sondern bei einem Träger mit Praktikumsanteil.“
       
       Tim Cordßen von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit sagte, dass der
       Einsatz einer „ressortübergreifenden Arbeitsgruppe“ zum Thema derzeit
       vorbereitet werde. Cordßen sagt: „Verbreitete Vorurteile müssen durch
       Erfahrungen abgebaut werden.“ Für ein passenderes Angebot an
       Teilzeit-Ausbildung sammele man derzeit Hinweise.
       
       9 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.arbeitnehmerkammer.de/service/presse/pressemitteilungen/alleinerziehend-leben-und-arbeiten-im-land-bremen.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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