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       # taz.de -- Kolumne American Pie: Dreckiger Amateursport
       
       > Das FBI ermittelt im Collegesport wegen Bestechung und Betrug in einem
       > mafiösen Netzwerk. Das System Uni-Sport steht auf dem Prüfstand.
       
   IMG Bild: 2013 Champion, 2017 in Ungnade gefallen: Louisvilles Basketballcoach Rick Pitino
       
       Bestechung, Betrug, Dokumentenfälschung, Unterschlagung, Veruntreuung: Das
       ist nur ein kleiner Teil der Vorwürfe, die den US-amerikanischen
       Collegesport – und den deutschen Sportartikelgiganten Adidas – gerade
       erschüttern. Ein Skandal, den das FBI aufgedeckt hat und der nicht nur mit
       einer Menge Dollars, sondern auch mit Sexpartys, Stripperinnen und
       Prostituierten garniert ist.
       
       Zehn Verdächtige wurden verhaftet, darunter vier Assistenztrainer der
       Basketballprogramme renommierter Universitäten und ein Mitarbeiter von
       Adidas. Die [1][University of Louisville] hat ihren Sportdirektor und mit
       Rick Pitino auch ihren Basketball-Chefcoach, einen der erfolgreichsten des
       Landes, beurlaubt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, weitere
       Verhaftungen sind möglich.
       
       Aufgedeckt wird gerade ein weit verzweigtes, kriminelles Netzwerk aus
       Sportfunktionären, Trainern, Agenten, Sportlern, Universitäten und
       Sportartikelherstellern, die sich gegenseitig schmierten und abhängig
       machten. Nachwuchsspieler bekamen illegale Zahlungen von zum Teil mehr als
       100.000 Dollar, um für ein bestimmtes College anzutreten.
       
       Agenten bestachen Trainer, um sich Collegespieler als Klienten zu sichern.
       Trainer engagierten Stripperinnen und Prostituierte, um Talente an ihre
       Universität zu locken. Und ein [2][Adidas-Angestellter organisierte
       Zahlungen] an die Familien von Spielern, um die zu bewegen, die Universität
       von Louisville zu besuchen, die wiederum von dem fränkischen Sportartikler
       ausgestattet und mit 16 Millionen Dollar jährlich gesponsert wird. Ob die
       Konkurrenz ähnliche Methoden benutzte, ist noch nicht klar, aber Nike bekam
       immerhin schon eine Vorladung.
       
       ## Mieses Geschäft mit Jugendträumen
       
       Nun sind solche Skandale nicht neu im Collegesport. Von den Spielen, zu
       denen Zehntausende Zuschauer kommen, und den TV-Übertragungen, die
       Millionen sehen, profitieren die Universitäten nicht nur finanziell. Es
       geht um Werbung für die Bildungsinstitutionen, die sich durch
       Studiengebühren und Spenden finanzieren. Und Nachwuchstalente, die neben
       ihrem Stipendium offiziell nichts verdienen dürfen, aber denen lukrative
       Profiverträge winken und die zudem nicht selten aus eher ärmlichen
       Verhältnissen stammen, sind begehrte Handelsobjekte und entsprechend
       anfällig. „Die Angeklagten haben die Träume von Studenten ausgenutzt“,
       sagte der ermittelnde [3][Staatsanwalt Joon Kim].
       
       Aber dieser Skandal erreicht bislang unbekannte Dimensionen: Denn erstmals
       ermittelt mit dem FBI nun eine staatliche Einrichtung. Bislang hatte stets
       die NCAA, der Collegesportverband, versucht, Verstöße gegen das eigene
       Regelwerk aufzudecken und Unregelmäßigkeiten an den Universitäten
       untersucht. Da diente nicht nur der Bock als Gärtner; seine Möglichkeiten,
       einen Skandal aufzuklären, waren auch deutlich eingeschränkt, die NCAA
       bleibt meist auf die Kooperation der Beschuldigten angewiesen.
       
       Das FBI dagegen hat andere Mittel zur Verfügung, es kann polizeiliche
       Ermittlungsmethoden anwenden und hat die Macht, Zeugen vorzuladen und
       Verdächtige zu verhaften. In diesem Fall wurden über Monate hinweg sogar
       Telefongespräche abgehört, Überwachungsvideos ausgewertet und verdeckte
       Ermittler eingeschleust. Kurz: Das FBI ermittelte, als würde es gegen die
       Mafia vorgehen.
       
       Womöglich bekommen nun endlich jene Stimmen Auftrieb, die fordern, dass
       sich etwas Grundsätzliches ändern muss. Dass es nicht haltbar ist, dass
       staatlich geförderte Bildungseinrichtungen mit einem angeblichen
       Amateursport Millionen umsetzen. Der US-Collegesport erlebt gerade seinen
       größten Skandal – und steht womöglich vor den größten Veränderungen seiner
       Geschichte.
       
       3 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.gocards.com/news/2017/9/29/mens-basketball-david-padgett-named-uofl-acting-basketball-coach.aspx?path=mbball
   DIR [2] https://www.nytimes.com/2017/09/26/sports/ncaa-adidas-bribery.html
   DIR [3] http://www.courier-journal.com/story/sports/college/louisville/2017/09/30/whos-real-victim-fbi-college-basketball-scandal-tim-sullivan/698057001/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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