# taz.de -- Anhörung deutscher Geheimdienstchefs: Top Secret im Bundestag
> Erstmals werden die Geheimdienstchefs im Bundestag angehört. Fehler ihrer
> Behörden weisen sie zurück. Lieber werben sie in eigener Sache.
IMG Bild: Wollen „vollen Werkzeugkasten“: Hans-Georg Maaßen, Christof Gramm und Bruno Kahl (v. l. )
Berlin taz | Die vergangenen Monate waren für die deutschen
Geheimdienstchefs nicht gerade problemfrei. Der Verfassungsschutz musste
sich fragen lassen, warum auch ihm der Berlin-Attentäter [1][Anis Amri]
durchrutschte. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) blamierte sich mit dem
Fall des terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als
Asylbewerber registriert hatte. Und gleich zwei Untersuchungsausschüsse im
Bundestag, zur [2][NSA]-Affäre und zum [3][NSU]-Skandal, knöpften sich
Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz vor.
Am Donnerstag nun mussten die Geheimdienstchefs erneut zum Rapport im
Bundestag anrücken – zu einer Premiere. Diesmal wurden die Präsidenten vom
Parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste vorgeladen, und zwar
erstmals öffentlich. Das Gremium tagt sonst nur hinter verschlossenen
Türen, ihr Abgeordneten müssen darüber schweigen, was ihnen die Präsidenten
mitteilen. Nun öffneten sich die Türen. Die Anhörung – in den USA längst
Usus – ist Teil einer 2016 beschlossenen Reform der Geheimdienstkontrolle.
Fragen nach Fehlern aber weisen die Präsidenten zurück. Für den Fall Amri
sei die Polizei zuständig gewesen, sagt Verfassungsschutzpräsident
Hans-Georg Maaßen. Dort sei der Tunesier als Gefährder geführt sowie als
Asylbetrüger und Drogendealer erkannt worden. Und auch beim NSU hätten die
Informationen bei den Landesämtern gelegen, nicht in seinem Bundesamt,
behauptet Maaßen – und schweigt über eigene V-Leute, die sein Amt im
NSU-Umfeld führte. Auch wie viele Spitzel das Bundesamt heute führt, will
er nicht sagen.
Christof Gramm, Präsident des Militärischen Abschirmdienstes, relativiert
die jüngst bekannt gewordenen 391 rechtsextremen Verdachtsfälle in der
Bundeswehr. Nach dem Fall Franco A. habe es schlicht einen „Ruck“ an
Meldungen gegeben. Tatsächlich enttarne man jährlich etwa fünf
Rechtsextreme, zudem drei Islamisten.
## Lobbyismus in eigener Sache
Auch BND-Chef Bruno Kahl betont, dass die Kontrollen in seinem Dienst nach
der NSA-Affäre funktionierten. Der Grüne Christian Ströbele fragt nach, ob
der BND denn noch europäische Institutionen ausspähe? Neue Fälle gebe es
nicht, beteuert Kahl.
Passend dazu vermeldet die Bundesanwaltschaft am Donnerstag, ihre
Untersuchungen in der NSA-Affäre eingestellt zu haben. Belastbare Hinweise,
dass US-Geheimdienste in Deutschland „zielgerichtet“ und „rechtswidrig
systematisch“ überwachen würden, hätten sich nicht ergeben. Keine der für
Spionageabwehr zuständigen Behörde habe dafür Belege gefunden. Für weitere
Ermittlungen sei deshalb „kein Raum“.
Die Geheimdienstchefs schalten in der Anhörung lieber auf Lobbyismus in
eigener Sache. Kriege, Terror und Cyberattacken seien die „größten
Herausforderungen seit Jahrzehnten, zählt BND-Chef Kahl auf. Maaßen sagt,
sein Amt habe allein 1.800 Terrorgefährder im Blick. Unisono fordert das
Trio mehr Personal. Indes: Schon in der letzten Legislatur bekamen sie
einen Zuwachs von je rund 10 Prozent.
## Mehr Zentralisierung gewünscht
Maaßen fordert auch einen „vollen Werkzeugkasten“ für die Dienste: Er hätte
gerne Zugang zu verschlüsselten Messengerdiensten und möchte wissen, wer in
Deutschland gerade Enthauptungsvideos schaut, sagt der Verfassungsschützer.
Kahl verteidigt das Projekt eines eigenen Spionagesatelliten, 400 Millionen
Euro teuer. Nur so komme man unabhängig von ausländischen Diensten zu
eigenen Erkenntnissen.
Die Geheimdienstchefs plädieren auch für mehr Zentralisierung hin zu ihren
Bundesämtern. Eine Steuerung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum fehle.
Auch drifteten die Rechtslagen der Länder zuletzt noch weiter auseinander,
so Maaßen. Einen europäischen Geheimdienst lehnen die Präsidenten dagegen
ab.
Clemens Binninger (CDU), Chef des Kontrollgremiums, lobt die Premiere.
„Sehr informativ, sehr substanziell.“ Für Ströbele dagegen, der die
Anhörung eigentlich schon vor der Bundestagswahl wollte, wurden die
Geheimdienstler zu einsilbig, wenn es konkret wurde. „Das muss besser
werden.“
5 Oct 2017
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## AUTOREN
DIR Konrad Litschko
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