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       # taz.de -- Nachhaltigkeit in der E-Mobilität: Rohstoffe bitte nur mit Strategie
       
       > Wer E-Mobilität will, braucht Kobalt, Lithium, Nickel und Grafit. Ohne
       > Konzept führt das zu Dreckwasser, zerstörten Landschaften oder
       > Kinderarbeit.
       
   IMG Bild: Tolle Technik, aber wie mit den Batterien umgehen?
       
       Berlin taz | Bange Frage: Wie lange reicht das Erdöl noch? Antwort: Ist
       eigentlich egal. Wichtiger ist, wie es um die globalen Reserven von Kobalt,
       Lithium, Nickel und Grafit steht. In den nächsten zwanzig Jahren werden sie
       wohl die wichtigsten Batterie-Rohstoffe für Elektroautos sein.
       Versorgungsengpässe bei diesen Materialien könnten zum Problem für die
       Zukunft der Mobilität werden.
       
       Davon gehen zumindest der Berliner Thinktank Agora Verkehrswende und das
       Darmstädter Öko-Institut in ihrem „Synthesepapier zum Rohstoffbedarf für
       Batterien und Brennstoffzellen“ aus, das sie am Donnerstag in Berlin
       vorstellten. Wichtigste Erkenntnis: Die Versorgung mit den genannten
       Metallen und Grafit ist grundsätzlich gesichert. Damit sie aber auch sozial
       und ökologisch gewonnen werden, bedarf es rasch großer Anstrengungen von
       Politik und Industrie.
       
       Laut der Untersuchung wird der Bedarf an Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit
       deutlich steigen, der von Lithium auf knapp 160.000 Tonnen im Jahr 2030 und
       sogar 500.000 Tonnen im Jahr 2050 (siehe Grafik). Dabei werden derzeit
       lediglich im Jahr 35.000 Tonnen produziert. Auch die Nachfrage der
       Autoindustrie nach Kobalt explodiert geradezu: auf 60.000 Tonnen 2030 und
       mehr als 800.000 Tonnen zwanzig Jahre später. Pro Batterie benötigt man
       derzeit etwa 15 Kilogramm Kobalt. Der Grafitbedarf steigt bis 2050 auf über
       5 Millionen Tonnen. Allerdings kann dieses Material auch synthetisch
       hergestellt werden.
       
       Wer diesen Zahlen schlicht die Vorkommen gegenüberstellt, die durch Bergbau
       wirtschaftlich und technisch gewonnen werden können, kann sich beruhigt
       zurücklehnen: „Es ist genug von allem da“, sagt Christian Hochfeld,
       Direktor von Agora Verkehrswende.
       
       ## Mehr Recycling
       
       Allerdings steht der konventionelle Bergbau derzeit weltweit am Pranger:
       Die Bevölkerung in den betroffenen Regionen klagt über verschmutztes
       Wasser, zerstörte Landschaften, Kinderarbeit oder die Finanzierung von
       Konflikten mit den Rohstoffen, so wie im Fall von Kobalt.
       
       Daher fordern die Institute eine umfassende Rohstoffstrategie für die
       Elektromobilität. Dabei geht es zum einen um die politische Regulierung der
       Lieferketten – etwa durch den Ausbau der EU-Verordnung zu
       Konfliktmineralien. Oder um ein Rohstoffmonitoring, das Knappheiten oder
       soziale Probleme bei der Gewinnung bestimmter Metalle frühzeitig erkennt.
       
       Der andere wesentliche Bestandteil der Strategie ist das Recycling, um die
       Nachfrage nach durch Bergbau gewonnenes Material abzupuffern. Schon jetzt
       müssten die Voraussetzungen für ein engagiertes und umfängliches Recycling
       geschaffen werden, sagt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen und
       Mobilität beim Öko-Institut. Doch dafür mangelt es noch an politischer
       Initiative.
       
       Das sieht auch Georg Fröhlich so. Er ist Geschäftsführer beim
       vergleichsweise großen und auf Elektroschrott spezialisierten
       Recyclingunternehmen „Electrocycling“ aus Goslar. Die Firma hat als Teil
       eines Forschungsprojekts zum Thema Recycling von Lithiumionen-Batterien
       bereits schmerzhafte Erfahrungen gesammelt. Fröhlich sieht „noch einen
       großen Forschungsbedarf“ bei der Wiederaufbereitung: „Sortierung und
       Behandlung solcher Batterien sind gefährlich, da sie bei Beschädigung
       leicht in Brand geraten.“
       
       ## Anstrengungen, um Batterien zu sammeln
       
       Der auf die Produktion und das Recycling von seltenen Metallen
       spezialisierte belgische Technologiekonzern Umicore geht davon aus, dass
       nur ganz auf die neuen Autobatterien spezialisierte Unternehmen zum Zuge
       kommen werden. Dies gelte „von der Logistik über die mechanische Demontage
       bis hin zur metallurgischen Verwertung“, sagt Christian Hagelüken,
       Recyclingexperte von Umicore.
       
       Die wahre Herausforderung sieht er allerdings nicht in der Technik.
       „Lithiumionen-Batterien können schon heute effizient und sicher recycelt
       werden“, sagt Hagelüken, „wir gewinnen aus Lithiumionen-Akkus Kobalt,
       Nickel, Kupfer und neuerdings auch Lithium zurück.“ Vielmehr müssten noch
       „erhebliche Anstrengungen“ unternommen werden, um Batterien zu sammeln und
       deren anschließende Verarbeitung in komplexen Recyclingverfahren
       sicherzustellen. „Wenn den Elektroautos das gleiche Schicksal widerfährt
       wie teilweise unseren Autos oder Computern und Smartphones und sie
       massenhaft auf illegalen Wegen nach Afrika gebracht werden“, so Hagelüken,
       „dann nützen die besten Techniken wenig.“
       
       In ihrem Papier gehen Agora Verkehrswende und Öko-Institut davon aus, dass
       ab 2050 weltweit nur noch Elektroautos verkauft werden. Dies sei ein
       wichtiger Bestandteil einer Mobilitätswende, in der der Verkehr
       klimaneutral sei und dazu beitrage, die Erderwärmung bis 2100 auf 2 Grad zu
       begrenzen. Von den erwarteten 2,5 Milliarden Fahrzeugen wird in diesem
       Szenario nur noch ein Viertel mit einem Verbrennungsmotor herumfahren.
       Daraus errechneten die Wissenschaftler den Bedarf verschiedener Rohstoffe,
       die für Batterietypen benötigt werden, die absehbar in großem industriellen
       Maßstab produziert werden, vor allem Lithiumionen-Batterien.
       
       6 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
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