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       # taz.de -- AfD-Kandidat für Bundestagspräsidium: Der Trick mit der Geschäftsordnung
       
       > Es gibt einen Weg, wie man den AfDler Albrecht Glaser als Vizepräsident
       > des Bundestags verhindern kann. Doch dass es so kommt, ist
       > unwahrscheinlich.
       
   IMG Bild: Will Muslimen das Recht auf freie Religionsausübung „entziehen“: Albrecht Glaser
       
       Die AfD-Fraktion wird sich für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten
       voraussichtlich einen neuen Kandidaten suchen müssen. [1][Führende
       Politiker von SPD, Linken, Grünen und FDP haben angekündigt, den
       AfD-Kandidaten Albrecht Glaser nicht zu wählen]. Die AfD kündigte an, an
       Glaser festhalten zu wollen. Ein Sprecher der CDU-/CSU-Fraktion wollte sich
       gegenüber der taz nicht zur Personalie und zum Abstimmungsverhalten der
       Fraktion äußern.
       
       Doch selbst wenn sich die Union der Stimme enthalten würde, hätte Glaser
       keine Chance. Nötig für die Wahl ist die einfache Mehrheit der Stimmen:
       Ein/e Kandidat/in braucht somit mehr Ja- als Nein-Stimmen. Der
       AfD-Politiker Albrecht Glaser hatte im Frühjahr auf einer AfD-Veranstaltung
       gefordert, dass man Muslimen das Recht auf freie Religionsausübung
       „entziehen“ müsse, weil der Islam „dort, wo er das Sagen hat, jede Form von
       Religionsfreiheit im Keim erstickt“. Mehrere Politiker der AfD haben sich
       in der Vergangenheit islamfeindlich geäußert. Das Besondere am Fall Glaser
       ist, dass es um eine wichtige Personalie des Bundestags geht – und dass die
       Äußerungen [2][auf Video dokumentiert] sind.
       
       Der grüne Fraktionsvorsitzende Cem Özdemir hat der Frankfurter Allgemeinen
       Zeitung am Montag gesagt: „Wer die Religionsfreiheit in Frage stellt, hat
       sich disqualifiziert. Ich kann so jemanden nicht wählen.“ Ähnlich äußerten
       sich Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und Marco Buschmann,
       Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Sein Amtskollege
       Carsten Schneider von der SPD sagte, dass Kandidaten „natürlich auf dem
       Boden des Grundgesetzes stehen und insbesondere die Grundrechte
       respektieren“ müssten. „Das bezieht sich auf Albrecht Glaser“,
       konkretisierte Fraktionssprecher Rüdiger Petz gegenüber der taz.
       
       ## Entzug der Religionsfreiheit verfassungswidrig
       
       Im Grundgesetz ist die freie Ausübung jeder Religion geschützt. Die
       Religionsfreiheit gehört zu den so genannten Grundrechten – ein „Entzug“
       der Religionsfreiheit wäre klar verfassungswidrig, erst recht, wenn er sich
       gegen eine einzelne Religion wenden würde. Das dürfte auch der erfahrene
       Politiker Albrecht Glaser wissen, der jahrzehntelang Mitglied der CDU und
       in den 90er Jahren Stadtkämmerer in Frankfurt am Main war.
       
       Wahrscheinlich ging es ihm mehr darum, mit einer bewusst gesetzten
       Provokation innerparteiliche Zustimmung zu erheischen und weniger um eine
       ernst gemeinte politische Forderung. Für die umstrittene Rede-Passage auf
       der AfD-Veranstaltung bekam Glaser starken Beifall.
       
       Theoretisch könnte die strittige Personalie gelöst werden, indem der
       Bundestag die Geschäftsordnung des Bundestags ändert und die Zahl der
       Vizepräsidenten reduziert. Seit 1994 – damals rückten die Grünen mit Antje
       Vollmer erstmals in das Bundestagspräsidium auf – steht jeder Fraktion
       „mindestens ein Vizepräsident oder eine Vizepräsidentin im Präsidium“ zu.
       Vorher gab es diese Regelung nicht, und sie könnte jederzeit wieder
       geändert werden. Dem erteilte der Sprecher der SPD-Fraktion gegenüber der
       taz aber eine Absage. „Wir wollen der AfD nicht die Opferrolle ermöglichen.
       Die Fraktion soll gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben“, sagte Petz.
       
       Selbst wenn man die Geschäftsordnung ändern würde, wäre es schwer zu
       begründen, warum ausgerechnet die AfD-Fraktion keinen Posten im
       Bundestagspräsidium bekommen sollte. Die AfD bildet nach Union und SPD die
       drittgrößte Fraktion. Das wahrscheinlichste Szenario dürfte sein, dass die
       AfD an Albrecht Glaser auch nach mehreren gescheiterten Wahlgängen festhält
       und den Posten notfalls für unbestimmte Zeit vakant lässt.
       
       Die Situation erinnert an das Jahr 2005 und den damaligen Kandidaten der
       PDS, Lothar Bisky, der vier Mal antrat und jedes Mal durchfiel. Ein halbes
       Jahr später schließlich gab die PDS auf und stellte die Abgeordnete Petra
       Pau auf. Pau ist bis heute Vizepräsidentin des Bundestags.
       
       2 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vizepraesidenten-des-Bundestags/!5451555
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/glaser-afd-islam-religionsfreiheit-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gunnar Hinck
       
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   DIR Vizepräsidenten des Bundestags: Parteien gegen AfD-Kandidat
       
       Abgeordnete aus den Fraktionen SPD, FDP, Grüne und Linkspartei halten den
       AfD-Kandidaten Albrecht Glaser für das Bundestagspräsidium für ungeeignet.