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       # taz.de -- Krise der Fluglinien: Wer billig fliegt, fliegt raus
       
       > Mehrere Fluggesellschaften sind 2017 in die Insolvenz geflogen. Ist die
       > Zeit der Billigflieger vorbei? Fragen und Antworten zur Airline-Krise.
       
   IMG Bild: Viel los am Himmel, bleibt das so?
       
       In welche Turbulenzen ist die europäische Luftverkehrsbranche geraten? 
       
       Seit Jahren befinden sich die Luftverkehrsgesellschaften in einem
       erbitterten Preiskampf, der durch die Billigflugunternehmen ausgelöst
       wurde. Diese Revolution am Himmel frisst nun ihre eigenen Kinder: In dieser
       Woche erst rutschte die britische Billigfluglinie Monarch Airlines in die
       Pleite, zuvor hatten sich Air Berlin und die italienische Alitalia
       ruiniert. Massive Betriebsprobleme hat nun auch Ryanair, der aggressivste
       Billigflieger am Markt; er streicht Tausende Flüge. „Das Scheitern der
       dritten Airline in diesem Jahr in Europa ist ein Symptom von Überkapazität
       und viel zu aggressiver Preispolitik“, sagt Analyst Neil Wilson vom
       Handelshaus ETX Capital.
       
       Was geht uns in Deutschland die Pleitefirma Monarch Airlines an? 
       
       Auf den ersten Blick nicht viel: Monarch Airlines war so etwas wie der
       fliegende Mallorca-Fernbus der Briten, der im Vorjahr 5,4 Millionen
       Passagiere befördert hat. Das ist jetzt vorbei; zu Wochenbeginn hatte die
       Firma von einem Tag auf den anderen den Flugverkehr eingestellt. Mehr als
       100.000 gestrandete Passagiere mussten mit Flugzeugen, die britische
       Behörden orderten, aus Urlaubsgebieten am Mittelmeer zurückgeholt werden.
       Und Hunderttausende Kunden und Kundinnen können demnächst nicht wie geplant
       fliegen, weil ihre Buchungen storniert wurden. Das alles zeigt aber auch
       uns, welche dramatischen Folgen der Preiskampf für Kunden und Kundinnen
       haben kann, die jahrelang genau davon profitierten.
       
       Läuft die Pleite bei Air Berlin besser? 
       
       Ja, zumindest aus Kundensicht. Die Bundesregierung hatte der insolventen
       Firma einen Notkredit von 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um den
       Flugverkehr während des Insolvenzverfahrens aufrechtzuerhalten. So blieben
       der schwarz-roten Bundesregierung kurz vor der Bundestagswahl Bilder von
       verzweifelten Urlaubern erspart, die irgendwo auf ihren Heimflug warten.
       Gleichwohl ist der Kredit sinnvoll, um genug Zeit für die Verhandlungen zum
       Verkauf des Unternehmens zu gewinnen.
       
       Können die Air-Berlin-Kunden aufatmen? 
       
       Nein, denn ein Teil der Langstreckenflüge wurde eingestellt; rund 100.000
       Kunden, die bis Mitte August ein Ticket gekauft haben, bekommen nun für
       ihre gestrichenen Flüge erst einmal kein Geld zurück. Wenn sie Glück haben,
       erhalten sie aus der Insolvenzmasse einen kleinen Teil des Kaufpreises.
       Verbraucherschützer fordern daher eine Pflicht für Fluggesellschaften, eine
       Insolvenzversicherung abzuschließen, so wie es Reiseveranstalter bei
       Pauschalreisen bereits tun müssen. Im Fall der Fälle zahlt dann die
       Versicherung den Kunden ihr Geld zurück. Mit einer solchen Versicherung
       würden zwar die Flugpreise um ein paar Euro steigen, aber die Kunden hätten
       weniger wirtschaftliches Risiko zu tragen.
       
       Wie geht ’s den Air-Berlinern? 
       
       Ausgesprochen schlecht. Air Berlin fliege nur noch, damit im Hintergrund in
       Ruhe die Zerteilung vorgenommen werden könne, ohne die begehrten Slots, das
       sind Start-und-Lande-Rechte, zu verlieren, kritisiert ein Pilot. Würde der
       Flugbetrieb eingestellt, würden die wertvollen Slots auf den freien Markt
       gelangen.
       
       Wer buhlt um Air Berlin? 
       
       Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft wird aller Voraussicht nach
       zerschlagen. Bis zum 12. Oktober will das Management nur mit Lufthansa und
       Easyjet über die Aufteilung von Air Berlin sprechen. Jeder fünfte der mehr
       als 8.000 Arbeitsplätze bei der Fluglinie ist dann in Gefahr. Die Lufthansa
       will 93 der noch 134 Flugzeuge übernehmen, Easyjet 27 bis 30. Die Frist zur
       Abgabe eines Angebots für die Techniktochter von Air Berlin wurde erst am
       Freitag bis Ende Oktober verlängert; ursprünglich sollte sie im September
       ablaufen.
       
       Warum knirscht es bei Ryanair? 
       
       Die irische Billigfluggesellschaft, die Mitarbeiter und Kundenwünsche
       bislang hauptsächlich als Kostenfaktor betrachtet, hat offenbar
       Schwierigkeiten, ihr Personal zu halten. Ryanair muss bis zum März Tausende
       Flüge streichen, weil die Besatzungen fehlen. Bislang hieß es, eine
       verfehlte Urlaubsplanung sei dafür der Grund. In dieser Woche aber soll die
       Firma in einem internen Brief ihren Piloten deutliche Lohnsteigerungen und
       bessere Arbeitsbedingungen in Aussicht gestellt haben. Damit soll die
       Abwanderung zu Konkurrenten verhindert werden.
       
       Ist die Billigfliegerei in Europa am Ende? 
       
       Nein, auch wenn das aus ökologischen Gründen natürlich positive Effekte
       hätte. Die Nachfrage nach regelmäßigen und günstigen Flügen ist nach wie
       vor ungebrochen, und innerhalb Europas gibt es auch genügend Wettbewerb
       unter den Anbietern. Im August war der Flugverkehr in Europa nach Angaben
       des Weltbranchenverbandes Iata erneut gewachsen, und zwar um 7 Prozent im
       Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Auslastung stieg um einen Prozentpunkt
       auf 88 Prozent, den höchsten Wert im Vergleich unter den Iata-Weltregionen.
       
       Was wird aus den günstigen Flügen innerhalb Deutschlands? 
       
       Ein anderes Bild ergibt sich bei den innerdeutschen Verbindungen. Hier
       bleibt abzuwarten, wie Air Berlin zerschlagen wird und wie viel –
       möglicherweise auch vorsichtigere und weniger preisaggressive – Konkurrenz
       der Platzhirsch Lufthansa dann noch hat. „Es könnte durchaus sein, dass die
       Preise wegen geringerer Konkurrenz etwas steigen“, sagt Felix Methmann,
       Reiseexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
       
       Und was macht die Deutsche Bahn? 
       
       Die Bahn greift die Fluggesellschaften auf einer ihrer wichtigsten
       Verbindung, nämlich Berlin–München, direkt an. Ab dem Fahrplanwechsel im
       Dezember schafft der ICE-Sprinter die Strecke in weniger als vier Stunden –
       dank einer milliardenteuren Neubaustrecke durch den Thüringer Wald, die
       jetzt fertig wurde. Dann heißt es vielleicht „Gute Fahrt!“ statt „Guten
       Flug!“.
       
       8 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Richard Rother
       
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