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       # taz.de -- Fairtrade bei Kosmetik: Natürlich ist selten fair
       
       > Naturkosmetik boomt, ist aber selten Fairtrade-zertifiziert. Der
       > Branchenkongress diskutiert darüber, als wäre das Problem bereits gelöst.
       
   IMG Bild: Und, wie sieht's aus bei diesem Nagellack – fair oder nicht?
       
       Naturkosmetik boomt: Immer mehr Hersteller setzen auf natürlich
       hergestellte Shampoos, Cremes und Parfums. „Das Marktvolumen von
       Naturkosmetik steigt konstant und hat sich in Deutschland in den letzten
       zehn Jahren auf 1,2 Milliarden Euro verdoppelt“, sagt Elfriede Dambacher,
       die in der vergangenen Woche den Naturkosmetik Branchenkongress in Berlin
       mit rund 250 TeilnehmerInnen organisiert hat. Allerdings: Das
       Fairtrade-Label sucht man trotz Öko-Trend auf den meisten
       Kosmetikverpackungen immer noch vergeblich.
       
       Beim Kongress wurde trotzdem über Fairtrade gesprochen, als sei das Problem
       bereits gelöst: „Wir wollen von Fairtrade zu Real-Trade“, sagt Gerald
       Herrmann, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Organic Services. Soll
       heißen: nicht nur faire Löhne für Rohstoffe zahlen, sondern die Produktion
       sogar in die Herkunftsländer verlagern.
       
       „Wir glauben nicht an Fairtrade, wir wollen Partnerschaft auf Augenhöhe“,
       sagt Abio Ogunrinde vom Naturkosmetikunternehmen Tropical Naturals, das in
       Nigeria Seifen produziert und als Positivbeispiel vorgestellt wird. Und
       auch die namibische Botschafterin Mekondjo Kaapanda-Girnus hofft, dass
       europäische Unternehmen ihre Kosmetik zukünftig vermehrt in Afrika
       produzieren.
       
       Klingt so, als müsse über die faire Bezahlung von BäuerInnen, die die
       Rohstoffe dafür anbauen, nicht mehr gesprochen werden. Dem widerspricht
       Dieter Overrath, Geschäftsführer der Handelsorganisation Transfair, die ihr
       Etikett für Lebensmittel, Kleidung und auch Kosmetik vergibt: „Nicht mal 1
       Prozent der Kosmetikartikel sind fair zertifiziert“, sagt Overrath. „Das
       ist im Vergleich zur Lebensmittelbranche sehr wenig. Bio ist eben nicht
       unbedingt fair.“
       
       ## Sheabutter oder Kokosnussöl
       
       Gerade natürliche Shampoos und Cremes basierten häufig auf Rohstoffen wie
       Sheabutter oder Kokosnussöl, die mehrheitlich in Ländern des globalen
       Südens angebaut werden – in Westafrika oder Ägypten etwa, sagt Overrath.
       „Oft unter schweren Arbeitsbedingung und bei schlechter Bezahlung.“ Bislang
       gibt es nur drei deutsche Kosmetikunternehmen, die überhaupt
       Fairtrade-zertifizierte Produkte anbieten, darunter der
       Hotelkosmetikhersteller Ada Cosmetics und die Drogeriemarktkette Müller.
       
       „Beim Thema Fairtrade ist die Branche gerade erst am Anfang“, glaubt auch
       Gudrun Leibbrand von der Naturkosmetikfirma Speick. Lange habe man sich
       eher auf den Öko-Aspekt denn auf sozialen Fragen konzentriert.
       
       „Das Problem bei der Kosmetik ist, dass die Produkte viele Inhaltsstoffe
       haben“, sagt Leibbrand. Im Gegensatz zur Schokolade müsse nicht nur eine
       einzige Kakaoplantage zertifiziert sein, sondern zahlreiche Rohstoffe,
       damit das Endprodukt fair ist.„So tief wollen viele Unternehmen nicht in
       ihre Lieferkette rein“, sagt Overrrath von Transfair. Naturkosmetikfirmen
       seien dabei keine Ausnahme: „Wir waren mit einigen Markenherstellern im
       Gespräch, die sind aber wieder abgewandert.“
       
       ## Sozialprojekte im Süden
       
       Dabei sind Fairtrade-Produkte nicht zwingend teurer: ein zertifiziertes
       Shampoo mit 150-Millilitern kostet bei der Firma Ada Cosmetics 4,50 Euro.
       Für Leibbrand ist die Realisierung von Fairtrade schwierig: „Manche
       Inhaltsstoffe, etwa Sheabutter, sind in den benötigten Mengen teilweise gar
       nicht zertifiziert erhältlich.“ Viele Unternehmen setzten statt des
       Fairtrade-Siegels eher auf eigene Sozialprojekte im Süden, von denen sie
       ihre Rohstoffe beziehen.
       
       Overrath räumt ein: „Wer nicht das Fair-Trade Label trägt, ist nicht
       automatisch ein Ausbeuter.“ Die Bereitschaft, angemessene Preise für
       Rohstoffe zu zahlen, sei in der Naturkosmetikbranche allemal höher als bei
       den konventionellen Herstellern.
       
       8 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lucia Heisterkamp
       
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