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       # taz.de -- Wahlkampf in Niedersachsen: Das Wendland und der Wolf
       
       > In Niedersachsen gibt es Ärger: Das Raubtier reißt Schafe und nähert sich
       > Menschen. Für die Landtagswahl ist das ein großes Thema.
       
   IMG Bild: Der Wolf mischt den Wahlkampf in Niedersachsen auf
       
       Berlin taz | Und dann rennt das Pferd direkt in ein Auto. In einer milden
       Sommernacht vor eineinhalb Jahren auf einer Landstraße im Wendland, dem
       Ökolandstrich im Osten von Niedersachsen, prallen der Wagen und das Tier
       unvermittelt zusammen. Das Pferd ist verletzt, die Frontseite des Wagen
       verbeult.
       
       Das Pferd ist aus einem privaten Freigehege mit mehren Tieren ausgebrochen,
       nachdem diese von einem Wolf angegriffen worden sein sollen. Der Wolf soll
       versucht haben, ins Pferdegatter einzudringen. Vielleicht ist er auch nur
       drumherumgeschlichen. Wie auch immer, die Pferde haben den Wolf gerochen
       und sind unruhig geworden, eines hat den Zaun durchbrochen und ist auf die
       Straße gerannt.
       
       Das Wendland, das offiziell Landkreis Lüchow-Dannenberg heißt, hat ein
       Problem: Wölfe. Nachdem die Tiere in Deutschland seit 1750 weitgehend
       ausgerottet waren, tauchen sie hierzulande verstärkt wieder auf. Nach
       Angaben von NaturschützerInnen soll es mittlerweile 61 Wolfsrudel und 9
       Wolfspaare geben, mit schätzungsweise 500 Tieren, vor allem in
       Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg. Im Wendland häufen sich die Klagen
       über die Tiere, die zunehmend in die Dörfer drängen und Schafe reißen.
       
       Die hinterlassen Schäden: tote Nutztiere, verschreckte Herden, Bauern, die
       ihre Tiere abends lieber in Ställe treiben, als sie draußen weiden zu
       lassen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft beziffert
       die jährlichen Schäden durch Wolfsübergriffe mit mehreren tausend Euro.
       Niedersachsen hat reagiert und für 2015 rund 100.000 Euro für solche
       Schäden bereitgestellt.
       
       Der Wolf erregt die Gemüter. Und beschäftigt die Politik, im
       niedersächsischen Wahlkampf spielt er eine große Rolle. Aus gutem Grund: In
       keinem Bundesland werden so viele Kühe auf der Weide gehalten. Doch nachdem
       2011 [1][die ersten Wölfe in Niedersachsen] nachgewiesen worden waren,
       nahmen die Angriffe auf Schafs- und Rinderherden zu. Damit gerät die
       besonders tier- und naturfreundliche Haltung von Tieren auf der Weide
       weiter unter Druck.
       
       ## Landwirte wollen schießen lassen
       
       Deshalb verlangte selbst der Landesverband der ökologisch orientierten
       Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Wölfe schon dann zu
       vergrämen, wenn sie sich Nutztieren nähern – „auch mit Abschüssen“. Im
       Moment greifen die Behörden nur zu solchen Mitteln, wenn Wölfe sich zu
       häufig oder aggressiv Menschen nähern.
       
       2016 kam ein Wolf in Niedersachsen Fußgängern sehr nahe, mindestens einmal
       biss er einen Hund. Daraufhin wurde der „MT6“ genannte Rüde auf amtliche
       Anordnung hin geschossen. Es war der bisher einzige Fall dieser Art in
       Deutschland.
       
       Aus diesen Gründen verständigten sich kurz vor der Landtagswahl am
       kommenden Sonntag Ministerpräsident Stephan Weil und die
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) auf eine gemeinsame
       [2][Erklärung], die angeblich eine härtere Linie gegenüber „Problemwölfen“
       festlegt. Selbst die Tötung ganzer Rudel in Ausnahmefällen wird dort
       erwähnt.
       
       ## Parteien greifen Thema auf
       
       Neu ist das alles nicht. Das Papier hat nur die bestehende Rechtslage
       zusammengefasst. Doch es zeigt, wie ernst die SPD das Thema nimmt.
       
       Zuvor hatte die niedersächsische CDU den Druck in Sachen Wolf erhöht.
       CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann forderte, den Wolf ins Jagdrecht
       aufzunehmen – „zwecks Regulierung der Population“, wie es im
       [3][Wahlprogramm der CDU] heißt. Der Bestand werde nicht gefährdet, wenn
       Wölfe, die für andere Tiere oder sogar Menschen gefährlich seien, von
       Revierförstern abgeschossen würden, sagte Althusmann.
       
       Das sind markige Worte, in der Realität aber wären Wölfe genauso geschützt
       wie bisher, wenn sie im Jagdrecht erwähnt würden. Denn das nationale
       Jagdrecht muss sich nach dem EU-Artenschutzrecht richten. Und das erlaubt
       nur, unter bestimmten Bedingungen einzelne Tiere zu töten, wie der Jenaer
       Jura-Professor Michael Brenner kürzlich bei einer Tagung des Bauernverbands
       in Berlin darlegte. Es müsste eine ganzjährige Schonzeit angeordnet werden
       – so wie das bereits in Sachsen der Fall ist. Das ostdeutsche Bundesland
       führt den Wolf bereits im Jagdrecht. Immerhin suggeriert die CDU, dass sie
       häufiger als SPD und Grüne Tötungen von Wölfen erlauben würde.
       
       Konkreter wird die FDP, die gern mit der CDU koalieren würde. In ihrem
       [4][Wahlprogramm] schreiben die Liberalen über die Wölfe: „Ihre Population
       ist durch jagdliche Eingriffe auf eine verträgliche Größe zu begrenzen.“
       Die FDP fordert auch, dass die Landwirte künftig einen Rechtsanspruch auf
       Entschädigung für Wolfsrisse haben. Die Bauern sollten das Geld erhalten,
       solange nicht bewiesen wird, dass kein Wolf verantwortlich war
       („Beweislastumkehr“).
       
       ## Wölfe würden Grüne wählen (oder die Linke)
       
       Davon wollen die [5][Grünen] nichts wissen. Sie haben bisher maßgeblich die
       Wolfspolitik bestimmt, weil sie den zuständigen Umweltminister gestellt
       haben. In ihrem Wahlprogramm – übrigens beschlossen in Wolfenbüttel – steht
       keine neue Forderung zum Thema. Weidetierhaltern müsse bei Wolfsrissen
       „schnell und unbürokratisch geholfen werden“, verlangen die Grünen und
       lassen offen, ob das bisher ihrer Meinung nach schon der Fall ist.
       
       Ähnlich positioniert sich die [6][Linke]. Der einzige Satz zum Wolf in
       ihrem Wahlprogramm lautet: „Förderung der Rückkehr der Wölfe statt Abschuss
       und finanzieller Landeshilfen für präventive Schutzmaßnahmen, insbesondere
       für Schäfer*innen.“
       
       Der Wolf ist durch Bundes- und EU-Gesetze bislang sehr streng geschützt und
       darf nur ausnahmsweise getötet werden. Der Schaden des Zusammenpralls
       zwischen Pferd und Auto hat die Beteiligten nicht mehrere tausend Euro
       gekostet, sondern vor allem Nerven und Zeit. Die Polizei, die zum „Tatort“
       gerufen wurde, musste sich nicht nur um den Unfall kümmern, sondern auch
       noch darum, das Pferd einzufangen und zu beruhigen.
       
       12 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dbb-wolf.de/Wolfsvorkommen/territorien/zusammenfassung?Bundesland=&Jahr=2011
   DIR [2] http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/wolf_erklaerung_bf.pdf
   DIR [3] http://cdu-niedersachsen.de/wp-content/uploads/2017/08/Regierungsprogramm_2017-2022.pdf
   DIR [4] http://www.fdp-nds.de/fileadmin/ltw-18/FDP_NI_Wahlprogramm_A5_Ansicht.pdf
   DIR [5] https://www.gruene-niedersachsen.de/wp-content/uploads/2017/08/20170829-GNDS-Wahlprogramm-WEB-06.pdf
   DIR [6] http://www.dielinke-nds.de/fileadmin/Landesverband/Landtagswahl_2018/Landtagswahlprogramm%202017%20Web.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
   DIR Jost Maurin
       
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