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       # taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis: Ishiguro? Für die Literatur das Beste
       
       > Ist es eine faire Entscheidung? Das Literaturnobelpreis-Jury schert das
       > nicht, sie tut, was sie muss: gut und gerne lesen. Dafür steht auch Kazuo
       > Ishiguro.
       
   IMG Bild: Literaturnobelpreis? Nicht vor irgendwelchen Hintergründen entschieden
       
       So, jetzt alle mal einen Schritt zurücktreten und über das eindimensionale
       „Freut mich“, „Sagt mir nichts“, „Gern gelesen“, „Nicht gern gelesen“,
       „Schade, dass es wieder nicht Philip Roth geworden ist“, „Gut, dass es
       immerhin nicht Murakami geworden ist“, „Ach, die wollen doch nur die
       Brexit-Briten trösten“ hinauskommen.
       
       Wenn man über die beim Literaturnobelpreis eingefahrenen Rituale
       hinausgeht, sieht man nämlich erst, was für einen guten Job die Angehörigen
       der Schwedischen Akademie in Stockholm gerade machen. Mit ihren
       Preisentscheidungen treffen sie zielgenau die Fragen, die die Literatur als
       Ganze gerade mit sich herumträgt.
       
       2015 bekam [1][Swetlana Alexijewitsch] den Preis, und alle Welt
       diskutierte, ob ihre Form der Oral History nun Literatur oder „nur“
       Dokumentation sei. 2016 holte sich [2][Bob Dylan die Urkunde] doch noch
       irgendwann ab und die Frage war, ob das überhaupt zusammen geht, ein Sänger
       – selbst wenn es Dylan ist – und die Literatur. Und [3][nach der
       diesjährigen Entscheidung für Kazuo Ishiguro] lässt sich jetzt ganz
       großartig darüber diskutieren, ob Romane wie „Was vom Tage übrigbleibt“
       oder „Alles, was wir geben mussten“ nun tatsächlich hohe Literatur oder
       „nur“ gehobene Unterhaltung darstellen. Genau so hält man Literatur im
       Gespräch.
       
       Die über den jeweiligen Preisträger hinausweisende Frage ist doch, was kann
       der Literaturnobelpreis überhaupt? Er kann einzelne Autorinnen und Autoren
       sehr berühmt (und ziemlich reich) machen. Er kann einzelne Staaten oder
       Regionen stolz machen – wieder einen Preisträger hervorgebracht! Wobei im
       Fall von Ishiguro eher Großbritannien als Japan die Ehre gebührt (dies sei
       bewusst in Deutschland angemerkt, wo Schriftsteller mit türkischem
       Hintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit oft noch rein als türkische
       Autoren bezeichnet werden). Und der Nobelpreis kann am Bild und am Begriff
       von Literatur insgesamt arbeiten. Und das machen sie in Stockholm gerade
       sehr gut.
       
       ## Die guten Leser
       
       Es ist kein Hochkulturkanon, den sie schlicht abarbeiten. Offenbar lassen
       sie sich auch nicht von der Vorstellung leiten, Literatur repräsentiere das
       Land, in dem sie geschrieben wird. Die Nobelpreis-Entscheidungen der
       vergangenen Jahre waren stets überraschend und nie so ganz einfach auf die
       große These oder den einen Punkt zu bringen. Fast könnte man der ja
       irgendwo auch hübsch romantischen Vorstellung anhängen, in der Stockholmer
       Akademie sitzen Menschen, die gerne, viel und vorurteilsfrei lesen. Für die
       Literatur ist das das Beste, was passieren kann.
       
       5 Oct 2017
       
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