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       # taz.de -- Studie zu Artensterben: Insektenschwund belegt
       
       > Die Zahl der Tiere ist seit 1989 sogar in Schutzgebieten um 76 Prozent
       > gesunken, so eine Studie. Eine Ursache könnte die intensive
       > Landwirtschaft sein.
       
   IMG Bild: Bedrohte Krabbeltiere: Es gibt immer weniger Insekten
       
       Was Naturschützer schon lange behauptet haben, ist jetzt wissenschaftlich
       belegt: Die Zahl der Insekten in Deutschland geht nicht nur bezogen auf
       wenige Arten oder Regionen zurück, sondern insgesamt und in großen
       Gebieten. Das geht aus einer Studie hervor, die am Mittwoch in der
       renommierten Fachzeitschrift Plos One erschienen ist.
       
       Wenn es den Insekten schlecht geht, geht es der Natur allgemein schlecht.
       Laut Studie bestäuben sie 80 Prozent der Wildpflanzen. 60 Prozent der Vögel
       benötigten sie als Futter. Zudem verwerten sie Nährstoffe aus
       Pflanzenresten und Tierkadavern.
       
       Doch von 1989 bis 2016 hat die Gesamtmasse der Fluginsekten in 63
       Naturschutzgebieten um 76 Prozent abgenommen, wie es in der Studie heißt.
       In der Mitte des Sommers, wenn am meisten Insekten herumfliegen, betrug das
       Minus sogar 82 Prozent. Der Rückgang sei besonders alarmierend, weil nur
       geschützte Gebiete untersucht worden seien, schreiben Caspar Hallmann von
       der Radboud University im holländischen Nijmegen und seine Ko-Autoren.
       Außerhalb ist der Insektenschwund also wohl noch größer.
       
       Die Zahlen haben die Forscher mithilfe sogenannter Malaise-Fallen
       ermittelt. Das sind zeltartig aufgestellte Netze, in denen Fluginsekten in
       einen Behälter geleitet und getötet werden.
       
       Die Publikation liefere den Beleg, dass der Schwund „wirklich ein
       größerflächiges Problem“ ist, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für
       Umweltforschung in Halle, der nicht an der Untersuchung beteiligt war.
       Frühere Studien hatten Rückgänge nur bei bestimmten Arten nachgewiesen,
       beispielsweise bei Schmetterlingen, Bienen oder Motten. Oder sie bezogen
       sich auf wenige Orte und wenige Jahre.
       
       Für die neue Analyse dagegen ist die Biomasse aller Insekten an 63
       Standorten in drei Bundesländern gewogen worden: Nordrhein-Westfalen und
       Rheinland-Pfalz sowie Brandenburg, sodass sowohl West- als auch
       Ostdeutschland vertreten waren. Das ist wichtig, da die Felder im Osten
       bedeutend größer sind, was sich auf die Artenvielfalt der umliegenden
       Schutzgebiete auswirken könnte. Die Untersuchungsorte repräsentierten auch
       unterschiedliche Lebensräume – etwa Heidelandschaften, Graslandschaften
       oder Brachflächen.
       
       Die Methodik der Forscher sei in Ordnung, urteilen Fachkollegen. „Die
       Tatsache, dass an vielen Probestellen nur einmal Proben genommen wurden,
       spielt für die Validität der Daten keine Rolle“, sagt Johannes Steidle von
       der Universität Hohenheim. Dies zeige auch eine Teilanalyse der mehrfach
       beprobten Standorte. „Sie kommt zum selben Ergebnis wie die Hauptanalyse
       mit allen Probestellen.“
       
       ## Klimawandel ohne negative Folgen
       
       Änderungen des Klimas oder der Wandel etwa von Heide zu Wald könnten den
       Insektenverlust in dieser Höhe nicht erklären, teilen die Autoren mit. Der
       im Untersuchungszeitraum festgestellte Anstieg der Durchschnittstemperatur
       von einem halben Grad Celsius hätte sich den Daten zufolge, wenn überhaupt,
       positiv auf den Bestand an Insekten ausgewirkt.
       
       Vermutlich spielen die intensivierte Landwirtschaft samt dem Einsatz von
       Pestiziden und Düngemitteln sowie die ganzjährige Bewirtschaftung eine
       Rolle, erklären die Forscher. 94 Prozent der Untersuchungsstandorte waren
       von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben. Es sei denkbar, dass
       Insekten in den Schutzgebieten zwar zunächst gediehen, dann aber auf den
       angrenzenden Ackerflächen verschwänden, heißt es.
       
       Der Deutsche Bauernverband pocht hingegen auf weitere Untersuchungen. „In
       Anbetracht der Tatsache, dass die Erfassung der Insekten ausschließlich in
       Schutzgebieten stattfand, verbieten sich voreilige Schlüsse in Richtung
       Landwirtschaft“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Die neue Studie
       bestätigt und betont ausdrücklich, dass es noch dringenden Forschungsbedarf
       zum Umfang und den Ursachen des dargestellten Insektenrückgangs gibt.“
       
       Weitere Langzeitdaten seien nötig, sagt auch Alexandra-Maria Klein,
       Landschaftsökologin von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – aber wir
       sollten „nicht auf diese Ergebnisse warten, bis wir unsere Landnutzung
       ändern“, sagt sie. „Dies könnte für einige Insekten zu spät sein.“ (mit
       dpa)
       
       18 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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