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       # taz.de -- Mögliches Projekt für Jamaika-Koalition: Elektrisierende Hoffnung
       
       > Der ernst gemeinte Ausbau der E-Mobilität könnte ein gemeinsames Projekt
       > für Jamaika sein, hoffen die Unterhändler. Aber so einfach ist das nicht.
       
   IMG Bild: Geht der Traum vom gemeinsamen E-Mobilitätsprojekt in Erfüllung? Oder zerplatzt er wie ein Luftballon?
       
       Wenn die Unterhändler von Union, FDP und Grünen mit der Fahrbereitschaft
       des Bundestags zu den Sondierungsgesprächen erscheinen, ist die Chance
       vergleichsweise groß, dass sie in einem E-Mobil sitzen. Denn jeder vierte
       Wagen im Fuhrpark des Parlaments ist bereits ein Hybrid- oder ein reines
       Batterieauto. Weil in Deutschland aber nicht einmal jedes tausendste Auto
       allein mit Strom fährt, und weil Jamaika händeringend ein gemeinsames
       politisches Projekt sucht, könnten die E-Autos von einer neuen
       schwarz-gelb-grünen Regierung profitieren: Auf den schnellen Ausbau der
       Elektromobilität könnten sich alle Partner einigen. Zumindest in der
       Theorie.
       
       Die Hoffnung der Fachpolitiker: Mit einem elektrischen Jamaika-Mobil
       könnten sie Wahlversprechen umsetzen und ein Zukunftsthema anpacken. Die
       Koalition hätte ein gemeinsames Projekt, wo sich ganz im Sinne der
       „Nachhaltigkeit“ Ökonomie, Ökologie und Soziales verbinden, dazu käme noch
       das sexy Thema Digitalisierung. Allerdings: Je näher man sich die Pläne
       ansieht, desto schwieriger erscheint die Realisierung.
       
       „Für uns gelten nach wie vor die Forderungen aus der Nationalen Plattform
       Elektromobilität von 2010“, bestätigt Andreas Jung, Umweltpolitiker in der
       Unionsfraktion. Damals versprach auch Angela Merkel, bis 2020 eine Million
       elektrische Autos auf die Straßen zu bringen. Mittlerweile hat sie das Ziel
       einmal kassiert, dann aber wieder bestätigt. „Das E-Auto verbindet
       Technologie und Innovation und es stärkt den Standort Deutschland“, sagt
       Jung. „Wir sind uns einig, dass das Auto der Zukunft aus Deutschland kommen
       soll.“ Denkbar seien „staatliche Förderung, Hilfe beim Aufbau der
       Lade-Infrastruktur, aber keine Verbote“. Das zielt auf die grüne Idee,
       Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2030 zu verbieten.
       
       Da reagiert auch die FDP allergisch. „Eine Quote für E-Autos und ein
       staatlich festgeschriebenes Ende des Verbrennungsmotors wird es mit uns
       nicht geben“, sagt Michael Theurer, Vizefraktionschef und Experte für
       Wirtschaftspolitik. Die FDP setze auf „Autos, die sich am Markt
       durchsetzen“. Die gebe es bisher nicht. Und auch seinem Chef Christian
       Lindner würde es gefallen, „unwirksame und sozial unausgewogene
       Subventionen zu streichen, wie beispielsweise die für E-Autos“.
       
       ## Gegenwind von ADAC und Bild-Zeitung
       
       Auch sprechen die Liberalen lieber von „emissionsfreier Mobilität“, weil
       sie „technologieneutral“ bleiben wollen: Ob das saubere Auto mit Strom,
       Biomasse oder Brennstoffzelle fährt, soll für Theurer der Markt
       entscheiden. Aber E-Mobilität in den Städten und smarte Verkehrsführung (da
       käme das Lieblingskind der FDP zum Zuge, die Digitalisierung) seien ebenso
       möglich wie Steuervorteile für die Forschung. Hier entstehe ein „riesiges
       Geschäftsfeld“, so Theurer. „Die ökologisch-ökonomische Modernisierung muss
       mit konkreten Projekten beginnen, dann könnte Jamaika eine Zukunft haben.“
       
       Mehr E-Mobilität wäre für die Grünen „ein ganz zentrales Projekt“, sagt
       auch Oliver Krischer, Verkehrsexperte der Fraktion. Über eine Quote oder
       ein Verbot des Verbrenners würde die Ökopartei wohl mit sich reden lassen.
       „Auf EU-Ebene wird ohnehin an einer Quote gearbeitet“, sagt Krischer. Er
       findet den norwegischen Weg viel interessanter: Der Staat sorgt dafür, dass
       elektrische Autos nicht teurer sind als Benziner oder Diesel.
       
       Auch Krischer würde den industriepolitischen Aspekt nach vorn stellen: „Die
       Überschrift müsste sein: Eine Zukunft für die deutsche Autoindustrie.“
       Dabei könnten FDP und Union mit ihrer Nähe zur Industrie bei den
       Unternehmen für diesen Standpunkt werben. Und für die Grünen ergäbe sich
       noch ein positiver Nebeneffekt: Der Ökostrom müsste schneller ausgebaut
       werden. „Bei steigender E-Mobilität wird der Strombedarf steigen, das geht
       nur mit Erneuerbaren“, sagt Krischer.
       
       Skeptisch gegenüber den Träumen von einer E-Offensive einer
       Jamaika-Koalition ist dagegen Ferdinand Dudenhöffer. Für den Professor für
       Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg wird ein Durchbruch für
       E-Autos erst kommen, „wenn es eine stabile Nachfrage im Massenmarkt gibt“.
       Dafür brauche es eine Quote, die die Hersteller zu dem Verkauf
       emissionsfreier Wagen verpflichte, wie es China ab 2019 einführen will,
       sagt Dudenhöffer. Dann sollte die zuständige Behörde für Autozulassungen
       das Umweltamt statt wie bisher das Kraftfahrtbundesamt werden, um die Tests
       schärfer zu machen. Und vor allem müsste Jamaika die Subventionen für
       Dieselkraftstoff senken oder abschaffen, um den Elektroautos einen fairen
       Wettbewerb zu sichern. „Aber es gibt 15 Millionen Wähler, die Diesel fahren
       und das gäbe sicher Gegenwind vom ADAC und der Bild-Zeitung“.
       
       Korrekturhinweis: In der ersten Version des Artikels war im dritten Satz zu
       lesen, nicht einmal jedes millionste Auto fahre mit Strom. Das war falsch
       und wir haben den Satz korrigiert. Wir bedauern diesen Fehler. (taz)
       
       24 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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