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       # taz.de -- IWF-Jahrestagung: Ende der Harmonie
       
       > Die Weltwirtschaft wächst und die Eurozone ist halbwegs stabil. Doch die
       > US-Regierung trübt bei der IWF-Jahrestagung die Stimmung.
       
   IMG Bild: Wolfgang Schäuble und Christine Lagarde könnten zufrieden sein, wenn trump nicht wäre
       
       Washington dpa | Es ist alles sehr schön arrangiert: Jim Yong Kim, der
       Weltbankpräsident, diskutiert beim gemeinsamen Jahrestreffen seiner
       Organisation und des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Samstag in
       Washington mit Ivanka Trump, der Präsidententochter, über das Ende von
       Armut und die Gleichstellung von Frauen. Man ist sich einig, man hat die
       gleichen Ziele.
       
       Doch hinter den Kulissen ist das Klima bei dieser Jahrestagung zwischen den
       USA und dem Rest der Welt so gespannt wie kaum jemals zuvor. Es gibt wenige
       Politikfelder, auf denen die Regierung von Donald Trump nicht im Clinch
       läge mit dem Rest der Finanz- und Wirtschaftswelt. „America First“, das
       wirtschafts- und handelspolitische Motto von Donald Trump, wird zum
       Kampfbegriff.
       
       Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reiht sich bei seinem letzten großen
       internationalen Auftritt im Regierungsamt in die große Gruppe der Mahner
       ein, die für mehr Freihandel plädieren. Die darauf hinweisen, dass das
       Bewältigen der großen, weltweiten Finanzkrise auch möglich war, weil die
       internationale Gemeinschaft zusammengeholfen hat.
       
       Keiner nennt Trump beim Namen, auch Schäuble nicht. Doch er warnt: „Wir
       sollten uns alle Sorgen machen über ein langsames Wachstum des Welthandels
       und die zugenommene Rhetorik gegen Freihandel.“ Beides seien Bedrohungen
       für den gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand. Der Handel habe Millionen
       von Menschen die Möglichkeit gegeben, aus der Armut herauszukommen. Er habe
       Stabilität gebracht und Wohlstand auf der ganzen Welt sowie die globale
       Zusammenarbeit gefördert. „Wir brauchen mehr Offenheit, nicht weniger“,
       sagte Schäuble.
       
       ## „Jobs, Jobs, Jobs“ vs. Ungleichheit
       
       So ziemlich alles, was aus dem Weißen Haus und den angeschlossenen
       Ministerien in der Vergangenheit handels- und wirtschaftspolitisch
       verlautbart wurde, erfuhr beim IWF in den Tagen von Washington einen
       Konter. Trumps Steuerpläne seien nicht ausgereift, man brauche mehr
       Informationen, hieß es. Und: Man müsse nicht nur die Steuer senken, sondern
       auch die Frage beantworten, wie man das dann gegenfinanzieren wolle.
       
       Trumps Mantra „Jobs, Jobs, Jobs“ begegnet der IWF mit einem anderen Thema:
       Ungleichheit. Die ungerechte Verteilung von Wohlstand, nicht nur unter den
       einzelnen Ländern der Welt, sondern auch innerhalb der einzelnen
       Volkswirtschaften, sei ein ungelöstes Problem, fanden die Experten im neuen
       Weltwirtschaftsbericht heraus. Die Hälfte des weltweiten Vermögens sei auf
       nur ein Prozent der Weltbevölkerung konzentriert. Auf die USA gemünzt heißt
       das: Trump muss nicht nur Jobs schaffen, sondern die Einkommen der
       Hunderttausenden von Billigarbeitern erhöhen. Und das möge er gefälligst
       über seine Steuerreform bewerkstelligen.
       
       Am klarsten fasst es vielleicht der Chef der Europäischen Zentralbank,
       Mario Draghi, zusammen. Die Weltwirtschaft floriere, aber es gebe auch
       Risiken. Was er aufzählt, hat alles mit Donald Trump zu tun:
       Protektionismus, das Zurückdrehen von Finanzmarktregulierung – und nicht
       zuletzt galoppierende Aktienkurse als Vorschusslorbeeren auf eine Politik,
       die vielleicht gar nicht kommt. „Die hohe Bewertung hat etwas mit
       Erwartungen zu tun“, sagte Draghi. Würden diese nicht erfüllt, würden die
       Börsen wohl schnell Korrekturen vornehmen.
       
       ## Erfolgsmeldungen des IWF
       
       Dass Trumps Finanzminister Steven Mnuchin – ein früherer Investmentbanker
       und Filmproduzent – noch einen Streit darüber vom Zaun bricht, ob die
       IWF-Manager zuviel verdienen, passt ins Bild. Auch dass die Trump-Regierung
       als größter Anteilseigner von Fonds und Weltbank eine Aufstockung des
       Budgets für die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Weltbank
       verweigert.
       
       In der Bankenszene wächst der Unmut ebenfalls. Die Welt will strengere
       Vorschriften, die USA wollen sie lockern oder nach ihrer Façon ändern. So
       warnten die deutschen Banken in Washington vor erheblichen
       Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihren US-Konkurrenten durch die geplanten
       neuen Kapitalvorschriften für Geldhäuser. „Eine Einigung muss die in Europa
       und den USA stark voneinander abweichende Kreditvergabepraxis
       berücksichtigen“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes
       deutscher Banken, Michael Kemmer. „Alles andere würde erhebliche Nachteile
       mit sich bringen, gerade auch für unsere Wirtschaft.“
       
       Hinter dem Streit mit den USA blieben die Erfolgsmeldungen des IWF fast
       blass. Das Wachstum der Weltwirtschaft hat angezogen, seit zehn Jahren
       stand die weltweite Wirtschaftsleistung nicht mehr so stabil da wie jetzt.
       800 Millionen Menschen haben seit den 1990er Jahren die Armutszone
       verlassen. Die Eurozone hat die Krise überwunden, in Ländern wie Portugal,
       Spanien und selbst in Griechenland geht es aufwärts, wie IWF-Europadirektor
       Poul Thomsen darstellte.
       
       Trotzdem warnten auch viele, dass nach dem Aufschwung auch immer ein
       Konjunkturtal warte. Schäuble sagte: „Wir können es uns nicht leisten, zu
       optimistisch zu sein oder die Risiken und Herausforderungen aus den Augen
       verlieren, vor denen wir immer noch stehen.“ IWF-Chefin Christine Lagarde
       warnte wie viele ihrer Kollegen und zum Schluss auch der
       IWF-Lenkungsausschus (IMFC) unter Zuhilfenahme eines Kennedy-Zitats: „Das
       Dach repariert man dann, wenn die Sonne scheint.“
       
       15 Oct 2017
       
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