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       # taz.de -- Krise des 1. FC Köln: Furchtbare Flitterwochen
       
       > Der FC Köln hat die dritte Niederlage im dritten Europa-League-Spiel
       > hinter sich. Die nach Borissow mitgereisten Fans haben die Schnauze voll.
       
   IMG Bild: Schon wieder kein Glück: Salih Özcan vom FC Köln nach dem 1:0 von Borissow
       
       Borrisow/Köln taz | Wegen ihres albtraumhaften Einstiegs in diese Saison
       mussten sich die Kölner schon einiges anhören – doch das, was ihnen am
       Donnerstag in dem kleinen Stadion von Borissow zu Ohren drang, war neu.
       Etwa tausend Anhänger des FC hatten die 1.700 Kilometer lange Reise aus dem
       Rheinland nach Weißrussland mitgemacht.
       
       Spätestens nach dem 0:1 ihrer Mannschaft, der dritten Niederlage im dritten
       Europa-League-Spiel, dämmerte ihnen jedoch, dass aus den lustvollen Reisen
       über den Kontinent schon wieder nichts geworden war. Und vor allem: dass
       alles immer noch schlimmer wird. Deshalb verspürten sie auch keine Lust
       mehr auf gegenseitiges, aufmunterndes Zuklatschen mit den Kölner Profis.
       
       Statt Durchhalteapplaus brandete den Spielern nun ein Orkan aus Pfiffen
       entgegen. „Wir haben die Schnauze voll“, skandierte das weitgereiste
       Fußballvolk, das im allgemeinen Frustgefühl einen Mann ganz nach vorn
       rückte – den für den aktuell völlig überforderten Kader zuständige
       Sportchef. „Schmadtke raus!“, lautete die Botschaft aus Borissow, 75
       Kilometer nordöstlich von Minsk gelegen. Hingehört hatte auch der Adressat
       – der die Sache aber einigermaßen gelassen nahm: „Dass auch Rufe gegen mich
       dabei waren, ist mir nicht egal. Aber es macht nichts mit mir. Es ist das
       gute Recht der Fans, man sollte das nicht auf die Goldwaage legen.“
       
       Den eigenen Beitrag zur misslichen Lage – die überschaubar erfolgreiche
       Transferperiode im letzten Sommer – hat der gebürtige Düsseldorfer längst
       eingeräumt. Was den 53-Jährigen bei Halbzeit der Liga-Hinrunde deutlich
       mehr tangieren dürfte, ist der Zustand der Mannschaft. Dass Köln ordentlich
       spiele, nicht alles brach liege, sei ein beruhigender Aspekt. Und erst wenn
       das Binnenverhältnis leide oder die Spielstruktur verschwinde, stelle er
       einen Trainer infrage. So sprach Schmadtke nach der jüngsten Niederlage in
       Stuttgart. Hält sich der Mann an diese Aussagen, dürfte es langsam eng
       werden für Stöger.
       
       Mit der Niederlage in Borissow sind die Kölner nun nicht mehr nur die
       schwächsten Starter in der Geschichte der Bundesliga. Drei Pleiten in den
       ersten drei Partien hat in der Europa League auch noch kein deutscher
       Vertreter hinbekommen. Was die Stöger-Elf am Donnerstag im Angriff zuwege
       brachte, war an Harmlosigkeit nicht zu überbieten. Der entscheidende
       Gegentreffer kurz nach der Halbzeit entsprang einer gemeinsamen
       Slapstick-Aktion der Defensivkräfte Dominique Heintz, Marco Höger und
       Konstantin Rausch. Und dass sich Kapitän Matthias Lehmann beim Aufwärmen
       verletzte und nun auch um seinen Einsatz am Sonntag gegen Bremen bangen
       muss, passt in den jammervollen Ausflug der Kölner nach Weißrussland.
       
       ## Schmähgesänge der eigenen Fans
       
       „Es ist eine Charakterfrage, immer wieder aufzustehen. Darum geht es als
       Sportler, und das wird mit dem heutigen Ergebnis nicht einfacher“, sagte
       Peter Stöger in Borissow mit großem Realitätssinn. Ähnlich betrachtet der
       gebürtige Wiener, der den Klub innerhalb von vier Jahren aus der zweiten
       Liga in den Europapokal geführt hat, auch seine persönliche Situation. „Wie
       lange behält man die Ruhe, wie lange hält man die Anspannung? Das kann ich
       nicht beeinflussen“, erklärte der 51-Jährige, dann gab er sich unverdrossen
       kämpferisch: „Für mich wäre es der allerfalscheste Zugang, zu sagen – ‚Ich
       verpisse mich jetzt‘. Aber ich bin kein Sesselkleber. Wenn einer eine
       bessere Idee hat, dann müssen wir das andiskutieren.“
       
       Auf Diskussionen wenig erpicht waren da gerade die Kölner Fans. Ihre
       Schmähgesänge in Borissow waren der Gipfel der verbalen Aggressionen, die
       in der Domstadt bislang trotz der bisherigen Bilanz ausblieben. Chefcoach
       Stöger hob vor Kurzem sogar noch das große Plus hervor, eine Fangemeinde zu
       besitzen, welche die absehbar komplizierte Spielzeit der Domstädter richtig
       einzuschätzen vermag.
       
       Vor dem gruseligen Treffen der beiden mit Abstand schwächsten
       Bundesligateams aus Köln (ein Punkt) und Bremen (vier Punkte) kommt sich
       der komplette Geißbockklub inzwischen aber vor wie in einem bitterbösen
       Spielfilm. Vor fünf Monaten feierte eine ganze Stadt die Rückkehr auf die
       internationale Bühne nach einem Vierteljahrhundert. Doch jetzt touren Fans
       und Verein zwischen London, Minsk und Belgrad hin und her und fühlen sich
       wie ein frisch vermähltes Ehepaar in furchtbaren Flitterwochen. Nächster
       Stopp ist das Duell mit Werder. „Es ist ein ganz wichtiges Spiel“, sagt
       Stöger, „keine Frage.“
       
       20 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Morbach
       
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