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       # taz.de -- 50 Jahre „Aktenzeichen XY … ungelöst“: Im Dienste der Aufklärung
       
       > Die erste Reality-TV-Sendung im deutschen TV: Seit einem halben
       > Jahrhundert bittet „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im Namen der Kripo um
       > Mithilfe.
       
   IMG Bild: Eduard Zimmermann vor der Umstellung auf Farbfernsehen
       
       Erst schwarz-weiß, dann ockerfarben. Seit der Umstellung der Sendung auf
       Farbe im Januar 1975 begleiteten biedere Brauntöne den Auftritt von
       „Aktenzeichen XY … ungelöst“-Erfinder und Moderator Eduard Zimmermann im
       ZDF.
       
       Als er sich im Rahmen der 300. Jubiläumssendung 1997 nach 30 Sendungsjahren
       verabschiedete, bekam auch das Studio eine visuelle Generalüberholung.
       Seitdem dominieren die Farben Blau und Orange. Auch eine technische
       Neuerung kam da ins Spiel, wie Zimmermann in der letzten von ihm
       moderierten Sendung stolz verkündete: Man verfüge ab jetzt über einen
       Internetanschluss im Studio.
       
       Am Prinzip der Sendung, die in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei nach
       Hinweisen aus der Bevölkerung zu Kapitalverbrechen sucht, hat sich dagegen
       seit einem halben Jahrhundert so gut wie nichts geändert. Auch heute noch
       stehen die mit Schauspielern nachgestellten Szenen zum Tathergang aus der
       Opferperspektive im Zentrum der Livesendung.
       
       ## 40 Prozent der Fälle gelöst
       
       Dazwischen gibt es weitere Fahndungshinweise, Gespräche mit Kriminalbeamten
       und natürlich die Thematisierung der Reaktionen und Hinweise aus der
       Bevölkerung. Mit durchschnittlich 5 Millionen Zuschauern ist „Aktenzeichen
       XY … ungelöst“ auch nach 50 Jahren immer noch ein Publikumsliebling. Mit
       der Aufklärungsquote sieht es ähnlich positiv aus – in all den Jahren
       konnten rund 40 Prozent der präsentierten Fälle gelöst werden.
       
       Zurück zum Ocker: Das Schöne an der ersten Reality-TV-Sendung im deutschen
       Fernsehen, die Zimmermann am 20. Oktober 1967 erstmals ins ZDF brachte, ist
       ihr unermüdlicher und selbstloser Einsatz im Dienst der Sache. Der eher
       steif wirkende Moderator im kargen Studioambiente ist stets auf maximale
       Seriosität und Faktenvermittlung bedacht.
       
       Das Gleiche gilt für die sorgfältig inszenierten Einspielfilme: Wo sich
       andere Medienformate auf spektakuläre Fälle und schockierende oder pikante
       Details stürzen, um die Sensationsgier eines gaffenden Publikums zu
       befriedigen, ist „Aktenzeichen XY … ungelöst“ auch nach dem Abschied seines
       Erfinders, der 2009 im Alter von 80 Jahren verstarb, immer noch ein
       wohltuend unzynisches Format. Einzig und allein der Aufklärung
       verschrieben, erfüllt es damit die klassische Funktion eines Massenmediums.
       
       Natürlich gab es auch Kritik. Besonders zu Beginn der Ausstrahlung mussten
       sich Redaktion und Sender mit massiven Anfeindungen auseinandersetzen.
       Darunter waren stets auch berechtigte Einwände zur Rezeptionswirkung, wie
       der Sorge um die Förderung von Denunziantentum in der Gesellschaft, der
       Gefahr der Nachahmung, der Verhinderung der Resozialisierung der Täter und
       dem Schüren der Angst vor Verbrechen in der Bevölkerung.
       
       ## Gegen Autoritätshörigkeit
       
       In seinem 1969 veröffentlichten Buch „Das unsichtbare Netz“ nahm Zimmermann
       zu den Vorwürfen Stellung und hob seinen bewussten und verantwortungsvollen
       Umgang mit den Problematiken hervor.
       
       Mittlerweile ist die kritische Diskussion über „Aktenzeichen XY … ungelöst“
       seit Jahrzehnten verstummt, was wohl hauptsächlich auf den
       gesellschaftlichen Medien- und damit einhergehenden Wertewandel seit den
       1980er Jahren zurückzuführen ist. Im Vergleich zur allgemeinen
       Entwicklungen in der Medienwelt ist die ZDF-Sendung ihren vor fünf
       Jahrzehnten gesetzten Standards nämlich ziemlich treu geblieben.
       
       Einen positiven Aspekt hat die mittlerweile seit 15 Jahren vom ehemaligen
       Eiskunstläufer und Sportmoderator Rudi Cerne präsentierte Sendung auf jeden
       Fall: sie trägt zum Abbau der Autoritätsgläubigkeit bei. Im Rahmen der
       Sendung müssen die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften offen und
       öffentlich zugeben, dass sie gescheitert und deswegen auf die Hilfe der
       Bevölkerung angewiesen sind.
       
       So begegnet die Exekutive den Bürgern hier tatsächlich einmal auf
       Augenhöhe.
       
       25 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Mayer
       
       ## TAGS
       
   DIR ZDF
   DIR True Crime
   DIR Islamismus
       
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