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       # taz.de -- Kommentar Kurden-Autonomie im Irak: Vom Traum zum Alptraum
       
       > Im Nordirak haben die Kurden eine weitreichende Autonomie für sich
       > erreicht. Ausgerechnet ihr Präsident Massud Barsani setzt das aufs Spiel.
       
   IMG Bild: Der Präsident der kurdischen Minderheit im Irak, Massud Barsani
       
       Vor gut einem Monat glaubten sich viele Kurden im Nordirak am Ziel ihrer
       Wünsche. In einem Referendum über die Unabhängigkeit vom Irak stimmten 90
       Prozent für einen eigenen Staat. Ein 100 Jahre alter Traum schien in
       Erfüllung zu gehen. Nur gut einen Monat später ist aus dem Traum ein
       Alptraum geworden. Die irakische Armee hat nicht nur die Ölprovinz Kirkuk
       wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung gebracht, selbst das seit
       mehr als einem Vierteljahrhundert existierende Kern-Autonomiegebiet steht
       jetzt auf dem Spiel.
       
       Der kurdische Autonomiepräsident Massud Barsani hatte geglaubt, sein
       Lebenswerk mit einem unabhängigen Kurdistan krönen zu können, ein Irrtum,
       für den die kurdische Bevölkerung nun einen hohen Preis zahlen muss. Statt
       eines unabhängigen Staates droht nun, dass die Zentralregierung selbst lang
       gesichert geglaubte Autonomierechte rückgängig macht und die Kurden in eine
       Zeit wie vor 50 Jahren zurückdrängt.
       
       Bagdad übernimmt wieder die Kontrolle an den Grenzen zur Türkei, zu Syrien
       und zum Iran. Aufseher aus Bagdad sollen die kurdischen Flughäfen
       kontrollieren und selbst die Kontrolle über die eigenen Streitkräfte, die
       legendären Peshmerga, steht auf dem Spiel.
       
       Es ist eine Tragödie, auch und vor allem für den Autonomiepräsidenten
       Massud Barsani. Schon sein Vater, Mustafa Mollah Barsani musste am Ende
       eines Lebens, in dem er Jahrzehnte für die kurdische Unabhängigkeit
       gekämpft hatte, als geschlagener Mann in die USA fliehen und starb dort in
       der Fremde. Massud Barsani stiehlt sich nun aus seinem Amt als
       Autonomiepräsident und hinterlässt ein politisch tief gedemütigtes und
       zerstrittenes kurdisches Autonomiegebiet.
       
       Ein Vierteljahrhundert lang, seit die USA und Großbritannien nach dem
       zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein im Nordirak eine Flugverbotszone für
       irakische Kampfflugzeuge eingerichtet hatten und damit der Entwicklung der
       kurdischen Autonomiezone die notwendige militärische Rückendeckung gegeben
       hatten, war im Nordirak ein de facto kurdischer Staat entstanden, der alles
       hatte – außer der förmlichen Unabhängigkeitsbeglaubigung durch die UNO.
       
       Persönliche Ambitionen Barsanis, als historischer Kurdenführer in die
       Geschichte einzugehen und nationalistische Ungeduld bei seinen Anhängern
       haben nun dazu geführt, dass alles, was in den letzten 25 Jahren aufgebaut
       wurde, jetzt wieder in Frage steht. Die Kurden können im Moment nur darauf
       hoffen, dass die USA hinter den Kulissen, in Gesprächen mit der irakischen
       Zentralregierung, verhindern, dass aus der Niederlage ein völliges Desaster
       wird.
       
       31 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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