# taz.de -- Eröffnung von Gurlitt-Ausstellungen: Wem gehören die Werke?
> Die Bundeskunsthalle Bonn und das Kunstmuseum Bern zeigen parallel
> erstmals Exponate aus dem „Schwabinger Kunstfund“.
IMG Bild: Eine Frau guckt in Bonn auf das „Portrait einer jungen Frau“ von Thomas Couture (1815-1879)
Bonn taz | Am Freitag eröffnet die Bundeskunsthalle Bonn die Ausstellung
„Bestandsaufnahme Gurlitt. Der NS-Kunstraub und seine Folgen“. 250 Stücke
von Edvard Munch, Max Beckmann, Otto Dix und weiteren von den
Nationalsozialisten als „entartet“ verfemten Künstlern sind zu sehen.
Der Fokus dieser Bonner Ausstellung liegt auf Werken mit unklarer
Provenienz. Parallel dazu konzentriert sich eine weitere Ausstellung im
Kunstmuseum Bern mit 150 Werken auf das Thema „entartete Kunst“ und darauf,
die nationalsozialistische Kulturpolitik darzustellen.
Alle Exponate stammen aus dem „Schwabinger Kunstfund“, der in der Münchner
Dachwohnung des Privatiers Cornelius Gurlitt vor fünf Jahren beschlagnahmt
wurde.
Insgesamt stellte die bayerische Justiz 1.566 Positionen sicher, wie die
eigens eingesetzte Taskforce mitteilte. Alle beschlagnahmten Bilder und
Skulpturen werden derzeit auf Raubkunstverdacht geprüft, 735 Werke gingen
in die Tiefenforschung.
## Der Kontext
Die Sammlung stammt vom Vater des inzwischen verstorbenen Gurlitt, dem
Museumsdirektor Hildebrand Gurlitt, der in den zwanziger Jahren in Dresden
und Zwickau tätig und bis 1933 Leiter des Hamburger Kunstvereins war.
Später handelte er privat mit Kunst und kooperierte mit der NS-Regierung.
Ab 1938 verkaufte er Werke, die in Deutschland nun als „entartet“ galten,
im Auftrag der Nationalsozialisten ins Ausland. Für das NS-Regime erwarb
Gurlitt Kunst, besonders in Paris.
Hildebrand Gurlitt – selbst Enkel einer deutschen Jüdin – verschleierte
zeitlebens die Herkunft seiner Sammlung, indem er vorgab, Geschäftsbücher
verloren zu haben.
## Die Reaktionen
Die Ausstellung dürfte die in der Öffentlichkeit heftig geführte Debatte
weiter anheizen, wie mit Raubkunst politisch umzugehen sei. Nach der
Beschlagnahmung hatten die Behörden Cornelius Gurlitt zugesagt, er werde
Kunstwerke zurückerhalten, wenn er der Prüfung zustimme. Einen Monat vor
seinem Tod 2014 unterzeichnete er eine Vereinbarung mit dem Freistaat
Bayern. Ebenfalls in seinem Todesjahr setzte er das Kunstmuseum Bern als
Alleinerben ein.
Bei der Pressekonferenz in Bonn am Donnerstag trat ein Großcousin Gurlitts
ans Mikrofon und klagte, sein Name werde immer noch durch die Verbindung
mit „Raubkunst“ geschädigt, ohne ausreichenden Nachweis. Bislang sind sechs
Bilder zur Restitution freigegeben worden, darunter ein Spitzweg, ein
Liebermann und ein Couture.
## Die Konsequenz
Die Ausstellung bildet einen Meilenstein für die Provenienzforschung. „Wir
sind auf einem Weg, der weitergehen wird“, erklärte Museumsdirektor Rein
Wolfs. Die Bonner Schau wird im kommenden Jahr in Bern gezeigt. Für Herbst
2018 ist eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin geplant, die auf
den zwischenzeitlich erworbenen Erkenntnissen aufbauen soll.
2 Nov 2017
## AUTOREN
DIR Johanna Schmeller
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