URI: 
       # taz.de -- Öffentlicher Nahverkehr in China: Tram ohne Schienen und Oberleitung
       
       > Chinas Städte leiden unter Staus und extrem verschmutzter Luft. Eine
       > selbstfahrende Straßenbahn könnte für Besserung sorgen.
       
   IMG Bild: Stau und Smog in Peking: Eine neue Straßenbahn soll helfen
       
       Peking taz | Geschmeidig gleitet der etwa 30 Meter lange Zug die Straße
       entlang. Auf den ersten Blick sehen die drei grün lackierten Waggons aus
       wie eine Straßenbahn. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf: Statt auf
       Stahlrädern rollt der Zug auf Gummirädern – und statt auf Schienen direkt
       auf asphaltiertem Boden. Auch Oberleitungen fehlen. Der Zug macht der
       Bezeichnung „Straßenbahn“ also alle Ehre.
       
       Der chinesische Zughersteller CRRC Zhuzhou Electric Locomotive hat ein
       neues Gefährt entwickelt, das den chinesischen Nahverkehr schon bald
       umkrempeln soll. „Autonomous Rail Rapid Transit“ (ART) heißt das Gefährt
       und ist eine Mischung aus Bus und Straßenbahn. Der Vorteil: Ein ART ist
       größer als ein Bus, der Bau wiederum günstiger als Straßenbahnen. Anfang
       Juni hat die Firma im chinesischen Zhuzhou den ersten Zug vorgestellt. Er
       ist zudem selbstfahrend.
       
       Firmenangaben zufolge ist der Nahverkehrszug mit speziellen Sensoren
       ausgestattet, sodass er nicht nur die Fahrbahn erkennen kann, sondern auch
       Entfernungen und Straßenverläufe. Das autonome Fahrsystem kann dann präzise
       die gewünschte Route berechnen. Um den Weg zu finden, benötigt das Gefährt
       zur Orientierung lediglich eine auf dem Asphalt angebrachte doppelte
       Strichellinie. Derzeit schafft die Tram Geschwindigkeiten von bis zu 70
       Stundenkilometern. Rund 300 Passagiere passen in die drei Waggons. Schon
       bald will die Firma die Zuglänge auf fünf Waggons ausweiten, dann gebe es
       laut Firmenangaben Platz für bis zu 500 Passagiere.
       
       Der Antrieb des Zuges ist wie bei einer herkömmlichen Straßenbahn
       elektrisch, benötigt aber keine Oberleitung. Versorgt wird der E-Motor
       stattdessen über einen Lithium-Titanat-Akku. Der Strom reicht allerdings
       für rund 40 Kilometer. Dann muss der Akku aufgeladen werden. Dafür benötigt
       er nur zehn Minuten Ladezeit, mit denen der Zug weitere 25 Kilometer
       zurücklegen kann.
       
       Trotz dieser geringen Akkudauer preist die Stadtverwaltung von Zhuzhou den
       ART als „Meilenstein“ und „Tram der Zukunft“. Für mittelgroße Städte, die
       sich für ihr Nahverkehrssystem kein teures Schienennetz leisten können, sei
       der Zug ideal. Landesweit werden zwar derzeit Zehntausende Kilometer neuer
       U-Bahn-Tunnel gegraben. Doch das ist teuer.
       
       ## Die Einsparungen sind enorm
       
       Der Bau einer U-Bahn inklusive Schienen kostet pro Kilometer zwischen 400
       und 700 Millionen Yuan (50 Millionen und 90 Millionen Euro), die Garnitur
       eines ART hingegen nur etwa 15 Millionen Yuan (1,9 Millionen Euro). „Die
       Einsparungen sind also enorm“, sagt der leitende Ingenieur Feng Jianghua.
       
       Zudem nehme der Bau nur wenig Zeit in Anspruch. Bereits im kommenden Jahr
       soll der Zug in Zhuzhou auf einer Strecke von insgesamt 6,5 Kilometern
       fahren. Es müssten lediglich die Strichellinien auf den Straßenbelag
       aufgemalt werden. Die Bauzeit würde nur wenige Tage betragen.
       
       Neue Ideen sind im von Stau und Smog geplagten China gefragt. Das
       Verkehrsaufkommen in den meisten chinesischen Straßen hat in den
       vergangenen Jahren dramatische Ausmaße angenommen. Allein in der
       20-Millionen-Hauptstadt Peking hat sich die Zahl der Autos in den
       vergangenen fünf Jahren auf rund sechs Millionen Fahrzeuge mehr als
       verdreifacht. Ähnlich sieht es in anderen chinesischen Metropolen wie etwa
       Schanghai, Guangzhou oder Tianjin aus.
       
       Die chinesische Führung hat sich zum Ziel gesetzt, den motorisierten
       Individualverkehr in ihren Städten innerhalb der nächsten vier Jahre um 20
       bis 30 Prozent zu reduzieren.
       
       6 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
       ## TAGS
       
   DIR China
   DIR Verkehr
   DIR Öffentlicher Nahverkehr
   DIR China
   DIR China
   DIR Smog
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Radfahren im Smog: Höllentrip durch Peking
       
       Der Smog in China ist oft unerträglich. Klart er auf, fährt unser
       Korrespondent aus Ökogewissensgründen ab und zu mit dem Rad. Das ist
       ziemlich irre.
       
   DIR Erneut Smogalarm in Peking: Leben in der Verschmutzung
       
       Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen hat Chinas Hauptstadt die höchste
       Smog-Warnstufe ausgerufen. Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen.
       
   DIR Erstmals höchste Smog-Warnstufe: Pekings Schulen bleiben zu
       
       300 Mikrogramm Feinstaub finden sich aktuell in einem Kubikmeter Luft in
       Chinas Hauptstadt. Die Fabriken sind geschlossen, der Straßenverkehr wurde
       eingeschränkt.