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       # taz.de -- Kampf gegen Steueroasen: Legale Steuerfluchten
       
       > Die Bundesregierung will die Steuerflucht einschränken. Doch manche ihrer
       > Maßnahmen greifen nicht. Auch das Transparenzregister hat Lücken.
       
   IMG Bild: Viele der beschlossenen Maßnahmen gegen Steuerflucht blieben wirkungslos: das Finanzministerium in Berlin
       
       Berlin taz | Solche Summen würden die Geldsorgen vieler Regierungen und
       Bürger*innen lösen: Über 400 Milliarden Euro stehen weltweit pro Jahr nicht
       für öffentliche Aufgaben zur Verfügung, weil transnationale Konzerne zu
       wenig Steuern zahlen. Das schätzt das Netzwerk für Steuergerechtigkeit
       [1][(Tax Justice Network, TJN)].
       
       Selbst die deutsche Regierung könnte sich manche Grübelei sparen, verfügte
       sie über diese Mittel. Hierzulande summiere sich der Verlust wegen
       Steuervermeidung durch Konzerne auf jährlich 17 Milliarden Euro, berechnete
       der französische Ökonom Gabriel Zucman.
       
       Hätte, könnte, würde. Zurzeit jedenfalls fließen solche Geldströme nicht,
       wie sie sollten. Das zeigen die zu Wochenbeginn [2][veröffentlichten
       sogenannten Paradise Papers] wieder einmal deutlich. Wistleblower haben
       internationalen Journalisten große Datenmengen zur Verfügung gestellt, die
       die Geschäfte zweier internationaler Beratungsfirmen und die
       Unternehmensregister von 19 Steueroasen beschreiben, darunter der Isle of
       Man im Ärmelkanal und der Bermuda-Inseln.
       
       Legal, scheinlegal, aber auch illegal verstecken dort Konzerne und reiche
       Privatpersonen gigantische Summen, die in den Heimatländern nicht für
       Schulen, Krankenhäuser und Straßen ausgegeben werden können.
       
       Spätestens seit der Finanzkrise ab 2007 aber hat sich der Wind gedreht.
       Viele Regierungen, auch die deutsche, versuchen zunehmend
       grenzüberschreitende Steuertricks einzuschränken. Mittlerweile zeitigen die
       Bemühungen erste Erfolge. Kritiker wie TJN verweisen trotzdem darauf, dass
       wesentlich mehr passieren könnte. Was hat die Bundesregierung geleistet,
       was könnte sie tun?
       
       ## Künftig gibt es Transparenzregister
       
       Beschlossen wurden für Europa und Deutschland bereits sogenannte
       Transparenzregister. Darin steht künftig für jedes registrierte
       Unternehmen, wem es offiziell gehört und wer die wirtschaftlich
       Begünstigten sind, also die wirklichen Nutznießer der Gewinne.
       
       Gegen Aktivitäten in Steueroasen kann das ein starker Hebel sein – gehört
       etwa eine in Deutschland gegründete Firma anderen Unternehmen,
       Gesellschaften oder Stiftungen, die auf der Isle of Man sitzen, könnte man
       sehen, welche Personen dahinterstecken. Richten die anderen EU-Staaten
       ähnliche Register ein, ließen sich entsprechende Informationen
       beispielsweise auch für niederländische Ableger deutscher Unternehmen
       ermitteln. Der Schleier der Steueroasen würde mindestens teilweise
       gelüftet.
       
       TJN-Forscher Markus Meinzer kritisiert allerdings eine große „Hintertür“ im
       deutschen Firmenregister. In der Bundesrepublik gemeldete Unternehmen
       müssten ihre tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten nicht nennen, wenn
       mehr als zwei ausländische Gesellschaften in der Kette dazwischen
       geschaltet seien, sagt Meinzer. „Ich gehe davon aus, dass die EU deshalb
       ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet.“ In der
       aktuellen Ausgestaltung mache die Ausnahme das deutsche Firmenregister
       jedenfalls zum guten Teil unwirksam.
       
       Ein weiterer Kritikpunkt: Das Bundesfinanzministerium betont zwar, dass die
       Informationen des Firmenregisters im Prinzip allen Personen zur Verfügung
       stehen, „die ein berechtigtes Interesse nachweisen können“, also auch
       Journalisten und Organisationen, die sich mit Steuerhinterziehung
       beschäftigen. Das bezweifelt Meinzer jedoch: „Es besteht keine
       Rechtssicherheit, Behörden können den Zugriff willkürlich verweigern.“ Auch
       der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick fordert, dass das Firmenregister
       „öffentlich“ sein soll.
       
       ## Die Lücke schließen
       
       Transnational tätige Unternehmen müssen den deutschen Finanzämtern
       mittlerweile mitteilen, welche Gewinne sie weltweit im Ausland
       erwirtschaften und wie viel Steuern sie darauf zahlen. Damit wollte
       Exfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erschweren, dass Konzerne wie
       Apple und Facebook ihre Profite dorthin transferieren, wo die Steuern am
       niedrigsten sind, und dann entsprechend Abgaben entrichten.
       
       Allerdings unterliegen diese Informationen dem Steuergeheimnis,
       Wissenschaftler und Kritiker sollen nichts erfahren. Wegen mangelnder
       Kontrolle werde die Wirksamkeit der Regelung damit untergraben, sagt
       Meinzer. „Das Bundesfinanzministerium verhindert, dass sich die
       Öffentlichkeit informiert. Ich bin gespannt, wie sich die neue Regierung
       verhält.“
       
       Kampf gegen Steueroasen – klingt gut. Mitunter halten die Gesetze jedoch
       nicht, was sie versprechen. Viele Mitarbeiter*innen des Finanzministeriums
       und Abgeordnete des Bundestages denken dabei auch an deutsche Unternehmen,
       die ebenfalls höhere Steuern zahlen müssten.
       
       Die Stichwörter „Kampf gegen Geldwäsche, unfairen Steuerwettbewerb und
       Steuervermeidung“ stehen nun auf der Themenliste von Union, FDP, Grünen für
       die Jamaika-Verhandlungen. Mal sehen, was dabei herauskommt.
       
       8 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.taxjustice.net/
   DIR [2] /Paradise-Papers-Enthuellungen/!5457878
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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