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       # taz.de -- Jamaika-Sondierungen zur Klimapolitik: Grüne brechen Gespräch ab
       
       > Die Parteien gehen im Streit auseinander, weil die FDP keine
       > verbindlichen Klimaziele will. An dieser Frage könnten die Verhandlungen
       > scheitern.
       
   IMG Bild: Irgendwann zwischen 16.10 und 20.45 Uhr: Die Delegationen der Parteien schnacken
       
       Berlin taz | Am Donnerstagnachmittag um 16.10 Uhr sah es so aus, als ob die
       Jamaika-Koalition ein großes Stück näher gerückt sei. Zu diesem Zeitpunkt
       schrieben die Spitzen von Union, FDP und Grünen in der Parlamentarischen
       Gesellschaft neben dem Reichstag eine „Geeinigte Fassung“ ihrer
       energiepolitischen Vorstellungen auf. Der erste Satz lautete: „Das
       Klimaschutzabkommen von Paris sowie die europäischen und nationalen
       Klimaziele für 2020, 2030 und 2050 gelten.“
       
       Konkrete Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden sollten, fehlten in dem
       kurzen Papier noch. Trotzdem sahen die Grünen darin einen großen Erfolg.
       Denn die erwähnten Ziele sind durchaus ambitioniert: Bis 2050 etwa soll
       Deutschland weitgehend klimaneutral sein. Bis 2020 sollen die
       CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent sinken – doch erreicht
       sind davon erst 28 Prozent.
       
       Um den Rest in den verbleibenden drei Jahren noch zu schaffen, sind
       drastische Maßnahmen nötig, da sind sich alle Experten einig. Egal, ob sie
       in den Verhandlungsdokumenten explizit erwähnt werden oder nicht: Die von
       den Grünen geforderten schnellen und umfangreichen Einschnitte bei der
       Kohlenutzung wären eine zwingende Konsequenz dieses Ziels – das ist eine
       Frage der Mathematik.
       
       Irgendwann zwischen 16.10 und 20.45 Uhr muss das auch dem
       FDP-Verhandlungsteam um Hermann Otto Solms aufgefallen sein. Denn am Abend
       verkündeten die Generalsekretäre der Parteien überraschend, dass es beim
       Klima doch keine Einigung gibt. Auch die drei Absätze, die zuvor bereits
       Konsens waren, wurden nicht vorgestellt. Zu den Gründen gab es offiziell
       wenig Konkretes. Für die Grünen kritisierte Bundesgeschäftsführer Michael
       Kellner den „klimapolitischen Zickzackkurs“ der Verhandlungspartner.
       FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sprach sich sehr allgemein für eine
       „Neuausrichtung der Energiewende“ aus. Für die CDU erklärte Generalsekretär
       Peter Tauber, man brauche jetzt erst mal eine „Nachdenkphase“.
       
       ## Bildung und Digitalisierung vertagt
       
       Inoffiziell ist aus Verhandlungskreisen zu hören, dass es heftigen Streit
       gegeben hat. Denn trotz der Aussage, dass die Klimaziele „gelten“, wollte
       die FDP sie offenbar nicht als verbindlich betrachten. Im zweiten Satz des
       Papiers hieß es nämlich: „Wir wollen die Einhaltung dieser Ziele erreichen
       und gleichzeitig die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von
       Energie gewährleisten.“ Zwischen „wollen“ und „werden“ gebe es einen
       entscheidenden Unterschied, wurde aus der FDP argumentiert. Das Klimaziel
       gelte darum nicht absolut, sondern könnte auch später oder durch Maßnahmen
       in anderen Ländern erreicht werden, hieß es bei den Liberalen. Ähnlich
       hatte im Vorfeld der Gespräche NRW-Ministerpräsident Armin Laschet
       argumentiert, der Verhandlungsführer der CDU beim Energiethema ist.
       
       Auf diese Interpretation des Papiers wollten sich die Grünen aber
       keinesfalls einlassen – und brachen die Gespräche am Abend ab. Schließlich
       hatte Parteichefin Simone Peter vor den Gesprächen noch einmal erklärt:
       „Weiteres Zögern und Zaudern“ sei mit den Grünen beim Klimaschutz „nicht zu
       machen“. An dieser Frage könnten die Jamaika-Verhandlungen also auch
       komplett scheitern.
       
       Ebenfalls ohne jedes Ergebnis blieben die Gespräche zum Thema Flüchtlinge
       und Migration, die am Donnerstag auch auf der Tagesordnung standen. Bei
       keinem der Streitpunkte Familiennachzug, Einwanderungsgesetz und sichere
       Herkunftsstaaten kamen sich die Koalitionspartner in spe näher. Hier soll
       es nun zunächst ein klärendes Gespräch im Kreis der Parteispitzen geben.
       Der Themenkomplex Bildung und Digitalisierung wurde aus Zeitgründen gar
       nicht mehr diskutiert, sondern ebenfalls vertagt.
       
       ## Floskeln von zeitloser Schönheit
       
       Als einzigen Erfolg des elfstündigen Verhandlungstags präsentierten die
       Parteien darum ein gemeinsames Papier zur Europapolitik. In „überwiegend
       konstruktiver Atmosphäre“ habe man damit einen „guten Zwischenstand“
       erreicht, sagte Grünen-Verhandler Reinhard Bütikofer der taz.
       
       Doch auch diese Einigung kam vor allen zustande, weil die strittigen
       Fragen, etwa [1][die Zukunft des ESM-Rettungsfonds], der Bankenunion oder
       der EU-Türkei-Beziehungen, lediglich als Themen erwähnt werden, die man
       „weiter besprechen“ will. Als unstrittig vereinbart wurden dagegen
       lediglich einige Floskeln von zeitloser Schönheit: „Deutschland kann es nur
       gut gehen, wenn es auch Europa gut geht“, heißt es etwa. Und: „Wir wollen
       den Geist des Miteinanders mit allen Partnern der EU weiterentwickeln und
       reformieren.“
       
       Wenn die EU-Arbeitsgruppe herausgefunden hat, wie das genau geht, sollte
       sie es vielleicht den Klimaverhandlern mitteilen. Dort dürfte der „Geist
       des Miteinanders“ schließlich durchaus noch Potenzial zur Weiterentwicklung
       zu haben, wenn die Gespräche am Montag wieder aufgenommen werden.
       
       27 Oct 2017
       
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